Warum lief der Messermörder von Brokstedt vor der Tat frei herum? Der Fall Ibrahim A. könnte sich zum Justizskandal ausweiten.

Der Messermörder von Brokstedt war mehrfach vorbestraft. Erst vor einem Jahr rammte Ibrahim A. einem Mann ein Messer in den Hals. Trotzdem wurde der Flüchtling im Januar 2023 aus der Haft entlassen. Keine Woche später erstach der staatenlose Palästinenser zwei Jugendliche, 16 und 18 Jahre alt, auf einem Bahnsteig, verletzte sieben weitere Menschen zum Teil lebensgefährlich.
Das Amtsgericht Hamburg selbst hatte dem Täter im Urteil zur ersten Tat ein Rückfall-Risiko von mindestens 50 Prozent attestiert. Wörtlich heißt es in dem Dokument, das pleiteticker.de vorliegt: „Das Gericht sieht die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens [nämlich] nicht größer an als die Wahrscheinlichkeit neuer Straftaten.“
Mehr als tragisch: Tatsächlich beging Ibrahim A. eine weitere Messertat – diesmal zweifach tödlich – und das nur wenige Tage nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis. Pleiteticker.de fragte das Amtsgericht Hamburg, ob der Fall nach der Bluttat nun intern noch mal geprüft werde. Gerichtssprecher Dr. Kai Wantzen dazu: „Das bedarf nach allem, was wir derzeit wissen, keiner internen Überprüfung.“
Unfassbar: Gericht attestierte hohes Rückfall-Risiko
Die Freilassung von Ibrahim A. am 19. Januar 2023 hat offiziell verfahrenstechnische Gründe. Nach der ersten Messer-Tat im Januar 2022 und dem dazugehörigen Urteil im August 2022 hatte der Flüchtling Revision eingelegt, wodurch er bis zu seiner Freilassung in U-Haft, statt in Strafhaft im Gefängnis saß.
Gerichtssprecher Dr. Wantzen gegenüber pleiteticker.de: „Der Haftbefehl wurde von Amts wegen aufgehoben. Dem liegt zugrunde, dass das Gericht verpflichtet ist, jederzeit von sich aus zu prüfen, ob die Untersuchungshaft noch verhältnismäßig ist.“ Dies sei im Januar 2023 nicht mehr der Fall gewesen. Die Freilassung, so Gerichtssprecher Dr. Wantzen, war „rechtlich zweifellos die zwingende Konsequenz“ der Gesetzeslage.
Man beobachte selbstverständlich die laufenden Ermittlungen, so Dr. Wantzen gegenüber pleiteticker.de. „Auch mit Blick darauf, ob es Gesichtspunkte gibt, die Anlass zu einer Prüfung geben könnten“, so Wantzen.