
„Zeitenwende“ ist das Wort des Jahres 2022. Aber wo ist Olaf Scholz‘ Zeitenwende geblieben?
Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat den Begriff „Zeitenwende“ zum „Wort des Jahres“ 2022 gekürt. Damit unterstreicht die Jury in Wiesbaden die Bedeutung des Begriffes für die politischen Debatten in diesem Jahr. Er geht auf Olaf Scholz zurück, der diese „Zeitenwende“ nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ausgerufen hatte „Der russische Überfall auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende. Er bedroht unsere gesamte Nachkriegsordnung“, hatte er Ende Februar in einer Sondersitzung des Bundestages gesagt.
Die vollständige Invasion der Ukraine durch Russland, die Anlass für diese Rede war, stockt derweil – genauso wie die „Zeitenwende“, die der Bundeskanzler ausgerufen hatte. Knapp 10 Monate nach der historischen Sondersitzung des Bundestages hört, sieht und spürt man von ihr sehr wenig. Die Nachkriegsordnung ist bedroht – und Deutschland verschläft nach wie vor die daraus zwingend resultierenden Schlüsse.
Die Zeitenwende sollte Deutschlands Verteidigung umkrämpeln – aber es geschah kaum etwas
„Zeitenwende“: Das ist der Bruch mit allem vorangegangenen. Die Absage an alte, aus der Zeit gefallene Glaubenssätze, die der neuen Realität nicht mehr standhalten. Das Ende des wohlfeilen, deutschen Pazifismus, der ohnehin stets nur unter dem schützenden Arm der US-Armee aufblühte, die Übernahme von sicherheitspolitischer Verantwortung, die unsere europäischen Nachbarn seit Jahren von uns fordern; all das sollte die „Zeitenwende“ endlich bringen. Doch das ist nicht passiert. Im Gegenteil: Deutschland zögerte bei der Übernahme sicherheitspolitischer Verantwortung, als man Waffenlieferungen an die Ukraine immer wieder verzögerte und verhinderte.
Auch die eigene Truppe will man nach wie vor nur widerwillig unterstützen: Wie das „Institut der deutschen Wirtschaft“ in einer Studie feststellt, rückt das Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung aufzuwenden, „in weite Ferne“. 2023, 2024 und 2026 werde das NATO-Ziel nicht erfüllt – obwohl Olaf Scholz das so vollmundig versprochen hatte. In der regulären Finanzplanung des Bundes wird die Bundeswehr nach wie vor unterfinanziert. Das „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro wirkt da eher wie ein Feigenblatt – dank ihm wird das Ziel 2025 nominell erfüllt. Am desolaten Zustand der Streitkräfte ändert das nichts: Kurzfristige Beschaffungsprojekte kommen nicht voran, nach wie vor mangelt es der Truppe von Munition bis zu warmen Socken an elementarsten Dingen.
Eine „Zeitenwende“ ist mit einer Ministerin wie Christine Lambrecht auch schwer vorstellbar. Lambrecht bekam den Job im Bendlerblock ohnehin nur als Versorgungsposten – irgendein Amt musste man ihr ja geben – und zeigte sich seitdem als unfähig, diese Rolle angemessen auszufüllen. Ob die denkwürdigen Stöckelschuh-Auftritte auf dem Truppenübungsplatz oder der Umstand, dass Lambrecht an Tag zwei der russischen Invasion lieber im Nagelstudio als im Büro saß – mit anschließender Shopping-Tour in einem Berliner Nobel-Kaufhaus. „Zeitenwende“ mit so einer Ministerin – das kann ja nichts werden.Fazit: Die „Zeitenwende“ schlug sich zwar im Sprachgebrauch der deutschen nieder – aber sonst nirgendwo. Denn den großen Worten von Olaf Scholz sind keine Taten gefolgt.