Die diktatorische Null-Covid-Strategie scheitert in China brutal und vor aller Augen. Doch auch in Deutschland schoben namhafte Berater der Regierung totalitär anmutende Pandemiestrategien an – mit unschöner Nähe zum KP-Regime in Peking.
Seit Monaten erschrecken die Horror-Bilder aus China die Welt. Immer wieder brutale Lockdowns, bei denen Tausende, ja Millionen Menschen weggesperrt werden. Menschen stehen an ihren Fenstern und schreien verzweifelt – es fehlt an allem, selbst die Versorgung der Eingeschlossenen mit Nahrungsmitteln bricht zusammen. Zuletzt erschütterten die Aufnahmen aus einer iPhone-Fabrik, aus der die eingesperrten Mitarbeiter nach tagelanger Tortur ausbrachen. Es sind Bilder, die einer Bankrotterklärung der kommunistischen Diktatur in Peking gleichkommen. Jahrelang hatte man die harte Null-Covid-Politik als Erfolgsmodell gefeiert und vermarktet – Chinas Machthaber Xi Jinping erklärte die Corona-Frage gar zum Systemwettbewerb mit dem Westen.
Die letzten Monate und insbesondere die letzten Wochen zeigen, wie sehr die Corona-Strategie der KP Chinas gescheitert ist. „Null Covid“ hat nicht vermocht, Corona zu besiegen oder dauerhaft einzuschränken. Das Scheitern von Xi’s Politik sollte ein mahnendes Beispiel sein: Totalitarismus funktioniert auch in der Seuchenbekämpfung nicht.
Dabei sollten wir nicht vergessen, dass auch in Deutschland viele dem chinesischen Weg das Wort geredet haben. Dabei handelte es sich nicht um verschrobene Extremisten, sondern wichtige Personen an und um die Hebel der Macht. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nannte die Null-Covid-Strategie noch 2021 „sehr wertvoll und wichtig”. Führende Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel rührten europaweit die Trommel für hammerharte Lockdowns nach chinesischem Vorbild.
„Die Wirtschaft kann und wird sich schnell erholen, sobald das Virus stark reduziert oder eliminiert ist. China und Australien haben gezeigt, dass dies möglich ist“, heißt es in einem am 18. Dezember 2020 veröffentlichten Positionspapier, welches maßgeblich von den deutschen Wissenschaftlerinnen Melanie Brinkmann und Viola Priesemann geschrieben wurde. Es sollte die Grundlage legen für die „ZeroCovid“-Initiative, die Priesemann einen Tag später ins Leben rief. Zu den Erstunterzeichnern gehörten neben Christian Drosten auch die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, Melanie Brinkmann, der Chef der Ständigen Impfkommission Thomas Mertens sowie der Leiter des Robert-Koch-Instituts Lothar Wieler. Infektionen runter auf Null mit einem Hammerhart-Lockdown: Das ist das gleiche Konzept, welches von Anfang an zur Staatsräson in China erhoben wurde – und dort mit katastrophalen Folgen für die Betroffenen gescheitert ist.
Wieler und Priesemann halten den Aufruf auch im Rückblick uneingeschränkt für richtig, wie sie im Sommer der NZZ verrieten. Beide berieten die deutsche Regierung federführend in Corona-Fragen – Wieler als Präsident des Robert-Koch-Instituts, Priesemann als eine Lieblingsberaterin von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Unter ihrem Einfluss war die Kanzlerin drauf und dran, eine solche Politik umzusetzen. Nur der entschiedene Widerstand der Industrie war es, der einen totalen Lockdown verhinderte – Merkel wollte, aber sie konnte letztendlich nicht. Zu unser aller Glück. Der Geist von „ZeroCovid“ bestimmte trotzdem lange die Pandemie-Politik ihrer Regierung, bescherte uns lange, menschenfeindliche Lockdowns und Willkür-Maßnahmen wie den 15-Kilometer-Bewegungsradius, der im Nachhinein auch als das gesehen wird, was er immer war: Totalitärer Schwachsinn, der nichts zur Pandemiebewältigung beigetragen, unsere Grundrechte aber empfindlich verletzt hat. Wir sind nicht China – aber der Geist, der die chinesische Corona-Politik prägte, hat auch uns heimgesucht.
RKI-Chef Wieler war auch co-Autor eines Papiers mit dem Titel „Wie wir Covid-19 unter Kontrolle bekommen“. Es ist ein Plädoyer für massive staatliche Eingriffe. Von einem Worst-Case-Szenario ist darin die Rede, das man der Bevölkerung vor Augen führen müsse. Selbst Quarantänecamps für Infizierte tauchen auf. Wieder verfasste das Papier unter anderem mit Otto Kölbl. Der ist Linguist an der Universität Lausanne – und ein erklärter Fan des Diktators Mao. Er wurde zu einem der Wortführer im Papier. So schrieb der für den Expertenrat zuständige Staatssekretär an den Dekan in Lausanne, Kölbl habe „wichtige Impulse“ geliefert. In der Vergangenheit stand er als Sprachrohr auf der Gehaltsliste der KP Chinas. „Ich habe immer wieder mal kleinere Aufträge angenommen, wo es darum ging, die Sicht der chinesischen Regierung einem westlichen Publikum zu erklären“, gab er freimütig in der Welt zu. Der Linguist, der Forderungen einer harten „ZeroCovid“-Politik für das Innenministerium schrieb, tat also genau das schon lange vorher: Autoritäre Politik im Stile Chinas für den Westen aufbereiten. Immerhin: Mittlerweile kritisiert Lothar Weiler die chinesische Pandemiepolitik. Aber nicht etwa wegen ihrer rigiden Maßnahmen – sondern weil gleichzeitig zu wenig geimpft wurde. Eine Distanzierung vom Seuchen-Totalitarismus ist das nicht.
Ja: Im Angesicht einer unbekannten, pandemischen Krankheit weiß zunächst niemand, was richtig und falsch ist. Aber dass sich die ZeroCovid-Ideologen trotz des offenkundigen Scheiterns ihrer Ideologie so lange in höchsten Beraterpositionen halten konnten, sollte uns nicht erst im Rückblick zu denken geben. Eine Aufarbeitung dessen fand und findet nicht statt. Dabei wäre es gerade für die oft beschworene „wehrhafte Demokratie“ wichtig, sich kritisch damit auseinanderzusetzen, wie gefährlich offen Politik und Entscheider mit dem Totalitarismus geflirtet haben.