Seit Dienstag ist der Jahresbericht der Wehrbeauftragten veröffentlicht. Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) kritisiert dabei vor allem die schleppende Bürokratie bei der Bundeswehr. Unter Anderem sei noch „kein Euro und kein Cent“ vom Sondervermögen ausgegeben worden.

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, hat in ihrem jährlichen Bericht die Bundeswehr in allen Bereichen deutlich kritisiert. „Die Bundeswehr hat von allem zu wenig. Und sie hat seit dem 24. Februar 2022 noch weniger“, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung ihres Jahresberichts. Einen langen Teil ihres Berichtes widmete sie dem beschlossenen Sondervermögen von 100 Milliarden Euro.
„Zwar sind die ersten Projekte auf dem Weg. Doch ist bei unseren Soldatinnen und Soldaten 2022 noch kein Cent aus dem Sondervermögen angekommen“, so Högl. „Zu behäbig ist das Beschaffungswesen. Die Lastenbücher der Truppe sind voller geworden, die Bekleidungskammern, Munitionsdepots und Ersatzteillager hingegen nicht“, führt die Wehrbeauftragte das Bürokratie-Problem der Truppe aus.
Getan habe sich wenig: „Viele der im Jahresbericht aufgeführten Probleme sind bereits seit Jahren bekannt und waren schon in früheren Jahresberichten enthalten“, so die SPD-Politkerin in dem Bericht. Die Wehrbeauftragte hilft nach Artikel 45b des Grundgesetzes dem Bundestag bei der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte. Sie gilt aber auch als Anwältin der Soldaten, die sich jederzeit an sie wenden können.
„Freundliches Desinteresse“
Högl kritisierte die Ignoranz gegenüber der Bundeswehr in den letzten Jahren, sieht aber auch Hoffnung: „Was der Bundeswehr viele Jahre entgegengebracht wurde, galt möglicherweise auch dem Jahresbericht: freundliches Desinteresse. Die öffentliche Wahrnehmung und Wertschätzung der Bundeswehr hat sich seit und durch den Krieg in der Ukraine gewaltig gewandelt. Das wäre auch dem Jahresbericht zu wünschen“, so Högl.
In ihrem Jahresbericht kritisierte sie, dass auch bei der Beschaffung von Ausrüstung geschlampt worden sei. Dafür führt Högl mehrere Beispiele an. Besonders verrückt: Seit 2013 versucht man Fliegerhelme mit ballistischem Schutz zu besorgen – bisher ohne Erfolg, obwohl dieser marktverfügbar und beim US-Militär längst im Einsatz ist. Im dritten Quartal dieses Jahres solle die Ausrüstung nun bereitgestellt werden.
100 Milliarden werden nicht reichen!
Högl plädierte zudem nochmal für mehr Geld. „Die 100 Milliarden Euro allein werden nicht ausreichen, sämtliche Fehlbestände auszugleichen, dafür bedürfte es nach Einschätzung militärischer Expertinnen und Experten einer Summe von insgesamt 300 Milliarden Euro“, schrieb Högl.
Geld müsse unter anderem für Personal her: „Wir brauchen einen größeren Pool an Bewerbungen“, sagte Högl. Es seien 18.692 Stellen oder 15,8 Prozent der Stellen unbesetzt. Die Bundeswehr werde personell immer älter.“ Dabei will Högl auch die Diversität nicht aus dem Auge lassen: „Selbst inklusive des Sanitätsdienstes liegt der Anteil der Soldatinnen erst bei 13,21 Prozent“, kritisierte sie.
Dringend Geld wäre auch für Kasernen nötig: „Es fehlt an Unterkünften, funktionierenden Toiletten, sauberen Duschen, Spinde, Hallen, Sportanlagen, Truppenküchen, Betreuungseinrichtungen, Munitionslagern und Waffenkammer und nicht zuletzt auch WLAN.“ Inzwischen benötige man 50 Milliarden Euro, um die Infastruktur zeitgemäß zu halten. Die Bauverwaltungen schafften es pro Jahr, Projekte im Volumen von einer Milliarde Euro umzusetzen. Die Wehrbeauftragte: „Das heißt, wir brauchen ein halbes Jahrhundert, um den Investitionsbedarf auch entsprechend umzusetzen.“