Mindestens 300.000 stationäre Krebsbehandlungen fielen in Pandemie weg. Die dramatisch hohe Zahl könnte eine Erklärung für die aktuelle Übersterblichkeit liefern.

Während im Jahr 2018 noch 1,87 Millionen Menschen stationär wegen einer Krebserkrankung behandelt wurden, im Folgejahr sogar 1,9 Millionen, ist die Zahl während der Corona-Jahre deutlich zurückgegangen. Das geht aus Diagnosedaten der Krankenhäuser hervor, die im Netz veröffentlicht wurden.
Vergleicht man 2020 bis 2022 mit dem Durchschnitt der Vorjahre 2018 und 2019, kommt man auf insgesamt mehr als 300.000 weggefallene stationäre Behandlungen. Das ist eine sehr hohe Zahl, zumal der Trend in den vergangenen Jahren nach oben zeigte, weil es in Deutschland immer mehr ältere Menschen gibt.
Aus Angst vor Corona gingen die Menschen nicht zum Arzt
Könnte es eine Erklärung für die seit Längerem anhaltende Übersterblichkeit sein, dass Krebserkrankungen nicht erkannt wurden, weil Menschen sich scheuten zum Arzt zu gehen – und in der Folge auch nicht im Krankenhaus durch gezielte Behandlung gerettet wurden? Medizinstatistiker Ralph Brinks von der Universität Witten-Herdecke gibt zwar zu Bedenken: „Mir sind aktuell keine Daten bekannt, die einen solchen Zusammenhang eindeutig belegen, deshalb kann man keine sichere Aussage dazu treffen.”
Allerdings hält er es für “extrem plausibel”, dass Menschen aus Angst vor einer Corona-Infektion Vor- und Nachsorge-Untersuchungen schleifen ließen.“ Das führt dann natürlich zu einer höheren Sterblichkeit”, erklärt Brinks. Denn wo Krebserkrankungen nicht erkannt würden, könne es auch keine Einweisungen und Behandlungen geben.
Dass der Einbruch der Behandlungen am häufig bemühten “Bettenmangel” der Kliniken liegt, ist hingegen eher unwahrscheinlich. Eine Auswertung der Krankenhausdaten zeigt, dass die Zahl der Patienten im Jahr 2020 von 19,2 auf 16,7 Millionen (um 13 Prozent) sank und damit einen historischen Tiefstand erreichte. Auch 2021 (16,6 Millionen) und 2022 (16,7 Millionen) setzte sich dieser Trend fort.