
Aus Illerkirchberg berichten Jan A. Karon und Pauline Schwarz
„Sie hat immer gelächelt und war immer fröhlich“ – als Nuray S., die Mutter der ermordeten Ece, diese Worte am Grab ihrer Tochter hört, bricht sie zusammen. Der Verlust, die Trauer und Wut über das schreckliche Ereignis scheinen für sie kaum zu bewältigen zu sein. Sie schreit ihren Schmerz in die Welt.
Keiner auf dem Friedhof kann diesen Schmerz der Mutter, der ihr das Herz zerrissen hat nachempfinden. Aber die Familie ist nicht allein. Hunderte Menschen kamen am Mittwochmittag zur Beerdigung von Ece an dem kleinen Friedhof in Illerkirchberg.
Bevor der Trauerzug den Friedhof erreicht, herrscht Totenstille im Ort. Freunde, Familie, Mitschüler, das direkte Umfeld will der Familie in dieser unbeschreibbar schweren Zeit beistehen, aber auch Menschen aus Mannheim, Ulm, Stuttgart und anderen Städten sind angereist, um Abschied zu nehmen.
Hunderte Menschen tragen ein Ansteckfoto von Ece an ihren Jacken, versehen mit dem Tag ihres Todes – dem Tag, an dem ein 27-jähriger Asylbewerber aus Eritrea dem kleinen Mädchen das Leben genommen hat.


Es ist ein Moment der Trauer und der Wut. Ein Familienangehöriger ergreift schließlich das Wort und spricht mit den anwesenden Polizisten. Der Mann bekräftigt lautstark, dass er nicht wolle, dass das Thema, die Tat, in Vergessenheit gerät. Er wolle nicht, dass irgendwelche Politiker Beileidsbekundungen äußern, Eces Tod in ein paar Tagen dann aber niemanden mehr interessiert. Niemand hier weiß oder versteht, warum das kleine Mädchen sterben musste.
Eces Freunde, ihre Familie, Nachbarn und Bekannte, haben sich derweil rund um das Grab versammelt. Unter ihnen auch viele Vertreter der türkischen Gemeinden, von denen einer eine bewegte Rede für Ece hält. Der Mann sagt mit bebender Stimme, dass die alevitische Gemeinde die abscheuliche Tat aufs schärfste verurteile – „wir teilen diesen tiefen Schmerz mit den Angehörigen von Ece”.
Danach herrscht einen Moment Stille, der Mann ringt mit Fassung. Es falle ihm und der alevitischen Gemeinde nicht leicht, die richtigen Worte zu finden, aber sie möchten ihr tiefst empfundenes Beileid aussprechen: „Im alevitischen Glauben spricht man nicht vom Tod. Sondern von der Wanderung zur Göttlichen Wahrheit.”


Eces Mutter appelliert danach an die Menschen, an einen würdevollen, friedlichen und liebevollen Umgang in der Gesellschaft. An diesem Tag kommen viele Menschen zu Wort. Es werden Nachrichten von Freunden, Bekannten und der Familie vorgelesen: „Dein schönes Lächeln werde ich auch nie vergessen. Dabei denke ich oft an unsere schöne Zeit. Da du mein größtes Vorbild bist, habe ich es geliebt, dich um deine Meinung zu fragen … Du wirst immer die beste Schwester sein, die ich mir je vorstellen konnte. Ich habe dich ganz, ganz, ganz doll lieb, du wirst immer ein großes Stück von meinem Herzen behalten.”
In Illerkirchberg wird keiner die kleine Ece und die schrecklichen Umstände ihres Todes vergessen – niemand sollte das.