Aufnahmestopp bei den Tafeln in Duisburg, Eschweiler, Kaiserslautern und Co.: Immer mehr Tafeln sind gezwungen, bedürftige Menschen abzuweisen, weil sie den massiven Ansturm einfach nicht mehr bewältigen können.
„Wir sehen, dass Menschen akut von Armut bedroht sind, die bislang über die Runden kamen“, so Tafel-Chef Jochen Brühl. Bitter, dass diese Menschen jetzt mit leeren wieder weggeschickt werden.
Es gibt zu viele Bedürftige, um allen zu helfen – gleichzeitig fehlt es den Tafeln an allem: An Lebensmitteln, Personal, finanziellen Mitteln zur Deckung der steigenden Kosten und an Abgabeorten.
Jochen Brühl, der Vorsitzende der Tafel Deutschland, schätzt die Zahl der Hilfebedürftigen aktuell auf etwa zwei Millionen Menschen. Zu viele für die vorhandenen Kapazitäten – und es werden immer mehr. Laut Brühl seien inzwischen auch Menschen akut von Armut bedroht, „die bislang über die Runden kamen”. Dank Inflation und steigender Energiepreise, können sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr alleine stemmen.
Eine finanzielle Mehrbelastung, die auch die Hilfsorganisationen selbst bedroht: Die Kosten für Strom und Benzin sind enorm gestiegen, gleichzeitig habe man wenig Einsparpotential – man brauch Kühlfahrzeuge, die die Lebensmittel abholen und muss vor Ort eine ausreichende Kühlung gewährleisten.
Bislang gab es unter anderem Aufnahmestopps in:
Nordrhein-Westphalen
Eschweiler: Die Eschweiler Tafel kann keine neuen Bedürftigen mehr aufnehmen, weil es zu wenig Lebensmittel zum Verteilen gibt. Karin Schmaling, die Leiterin der Tafel, sagte „So schlimm war es noch nie”.
Marl: Die Marler Tafel nimmt schon seit Ende Juni keine Neukunden mehr auf. Und das muss sie voraussichtlich auch bis zur Vorweihnachtszeit noch aufrechterhalten – „Sonst werden wir überrannt”, sagte die Vorsitzende Edeltraud Hartel.
Duisburg: In Duisburg reichen die Ressourcen schon jetzt kaum mehr aus, um die Bedürftigen zu versorgen. Die Entscheidung einen Aufnahmestopp zu verhängen, ist dem Tafel-Chef schwer gefallen, aber es gab keine andere Möglichkeit mehr. Inzwischen rufen jeden Tag bis zu 30 Menschen an, die Hilfe suchen, aber leider abgewiesen werden müssen.
Rheinland-Pfalz
Mainz: Die Zahl der Neuaufnahmen hat sich verfünffacht. Laut dem Vorsitzenden der Mainzer Tafel beantragen normalerweise 20 bis 25 Menschen im Monat einen Berechtigungsschein, doch im August waren es mehr als 100.
Lauterecken: „Vor allem durch zahlreiche Neuanmeldungen von ukrainischen Flüchtlingen oder Zuwanderern sind wir an unsere Kapazitätsgrenzen gekommen” – das sagte Hans Habermann, der ehemalige Bürgermeister der Verbandsgemeinde Lauterecken.
Kaiserslautern: Die Tafel in Kaiserslautern musste bereits im April einen Aufnahmestopp verhängen. Laut ihrem Leiter erreichen ihn wöchentlich zwischen 30 und 40 neue Anfragen – Hilfeersuchen, die er alle ablehnen müsse, weil die Lebensmittel sonst zu knapp würden.
Saarland
Völklingen: Die Tafel in Völklingen musste schweren Herzens einen Aufnahmestopp erlassen, weil man an seinen Kapazitätsgrenzen sei und erstmal die Menschen unterstützen müsse, die man eh schon hat – das sind in Völklingen 400 Bedarfsgemeinschaften, also 1.300 Personen, davon 40 Prozent Kinder. Laut Claudia Rebmann von der Diakonie Saar, die für die Tafel Völklingen verantwortlich ist, bekomme man aktuell weniger Lebensmittel, „da die Lebensmittelläden offensichtlich besser kalkulieren oder knapper kalkulieren”.
Hamburg
In der Hansestadt mussten die meisten der rund 30 Ausgabestellen einen Aufnahmestopp verhängen – und das schon seit dem Frühjahr, denn die Lage habe sich seit dem Krieg in der Ukraine deutlich verschlechtert, so Julia Bauer, Vorstandsmitglied der Hamburger Tafel. Laut ihr machen aber auch die Energiekosten und die geringeren Lebensmittelspenden der Tafel deutlich zu schaffen. „Viele Menschen sind voller Angst. Es geht für einige um ihre Existenz”
Harburg: „Es geht einfach nicht mehr”, so Sabine Pena, die Vorsitzende der Tafel. Vor der Corona-Krise kamen etwa 80 Bedürftige am Tag, während Corona stieg die Zahl auf 120. Seit die Ukraine-Flüchtlinge und die Menschen, die wegen der Inflation mit dem Geld nicht mehr auskommen, auch noch dazukommen, stieg die Zahl auf 180 bis 200 Kunden am Tag. Es kommen immer mehr Menschen und gleichzeitig immer weniger Lebensmittel – das konnte die Tafel nicht länger bewältigen.
Niedersachsen
In Osnabrück ist die Zahl der „betreuten Bedürftigen” von 6.000 im Februar auf etwa 15.000 im August angestiegen.
Die Tafelstandorte in der Region Hannover nehmen aktuell keine Neuanmeldungen mehr an – das betrifft zum Beispiel alle Ausgabestellen der Tafel in Langenhagen, Altwarmbüchen und der Wedemark.
Vor den 106 Abgabeorten in Niedersachsen bilden sich lange Schlangen. Laut Uwe Lampe, dem Vorsitzenden des Landesverbandes Niedersachsen/Bremen, kommt es dann immer wieder zu Spannungen und Gewalt – Mitarbeiter wolle man deshalb künftig in Deeskalationsstrategien schulen.