
Deutschlands Tafeln sind am Limit: Bundesweit gibt es Aufnahmestopps, die Schlangen vor den Ausgaben werden immer länger – und es gibt neues Klientel: Unter den Hilfebedürftigen sind zunehmend auch arbeitende Menschen oder Rentner, die früher nicht auf Hilfe angewiesen waren.
„Es ist leider Gottes im Moment so, dass Alleinstehende manchmal am Ende des Monats weniger im Portemonnaie haben als ein Sozialleistungsempfänger“ so Jörg Sartor von der Essener Tafel. Pleiteticker.de hat mit über die Lage der Hilfseinrichtungen gesprochen:
„Bei uns ist die Situation so wie sie bei fast allen ist: Wir haben Aufnahmestopp“, so Sartor gegenüber Pleiteticker.de. Der Hauptgrund seien erst die vielen ukrainischen Flüchtlinge gewesen – „zusätzlich kam die Energiekrise dazu, die dazu geführt hat dass sehr viele Menschen dazukommen, die nicht mehr klarkommen. Das ist bei begrenzten Plätzen natürlich eine ganz ganz schwierige Situation.“
Erstmal werde man nur Bestandskunden aufnehmen, also Leute, die bereits früher bei der Tafel gewesen sind. Ausnahmen müsse man trotzdem machen. „Wir haben für Berufstätige geöffnet. Weil es ist leider Gottes im Moment so, dass Alleinstehende manchmal am Ende des Monats weniger im Portemonnaie haben als ein Sozialleistungsempfänger.“
Sartor berichtet von einem Beispiel: Ein junger Mann, der lange Sozialleistungen bezog, sei seit kurzem berufstätig und arbeite bei einer Spedition. 1200 Euro verdient er unter’m Strich – davon ist aber am Ende nicht mehr viel übrig. „Am Ende bleiben 240 Euro“, erzählt der Tafel-Vorstand. „Sozialhilfe will der junge Mann nicht beantragen – er geht ja arbeiten“. So gehe es vielen Leuten, mit denen er spreche, sagt Sartor. „Ich habe Rentner hier sitzen – wenn die mir ihre Abrechnungen zeigen, falle ich rückwärts vom Stuhl“, so Sartor.
Inflation und steigende Energiekosten merken aber nicht nur die Kunden der Essener Tafel: Auch, wenn sie sich nur durch Spenden finanziert, spüre man in der Tafel selbst Preisdruck bei den Lebensmitteln – denn es gibt deutlich weniger Lebensmittel als noch vor einem Jahr. „Die Preise sind hoch, dementsprechend ist weniger Lebensmittel da. Das betrifft auch uns“, erklärt Sartor. „Manche Preise sind idiotisch explodiert“, meint der Tafel-Chef. Ob der Staat in dieser Situation helfe? „Nö“, sagt Sartor knapp. „Das will ich auch gar nicht“ – so sei das Selbstverständnis der Tafel nicht.
Zu dem, was die Regierung generell tue, um die Krise zu lindern, findet Sartor deutliche Worte: „Ich persönlich bin der Meinung, dass diese Regierung am Anfang massive Fehler gemacht hat!“ – „Wenn einer nur Kinderbücher geschrieben hat oder sein Studium nicht beendet hat“, sagt Sartor, könne ja kaum etwas vernünftiges dabei herauskommen. „Da sind soviele Schwachmaten unterwegs!“ Eine kohärente, gerade Linie verfolge die Bundesregierung nicht – Sartor nennt sie eine „Bandnudel-Regierung“.
„Wenn sich die Politik hinstellen würde und Fehler eingestehen würde, wäre dem Land und den Menschen sehr geholfen“, so Sartor. Doch stattdessen werde einfach stumpf weitergemacht.