Der Sexualunterricht ist nicht mehr zeitgemäß, ist einem aktuellen Beitrag des rbb zu entnehmen. Die Arbeit von Sexualpädagogen soll in Berlin Abhilfe schaffen. Sie bieten Sexual-Workshops für Schulklassen an. Kinder kämen schon ab der Geburt mit Sexualität in Berührung, meinen die Verantwortlichen.
Der Sexualkundeunterricht ist zu starr, nicht mehr zeitgemäß. „Sexualkunde als purer Biologie-Unterricht“ muss dringend überarbeitet werden. Das stützt der rbb auf die Aussage einer Berliner Schülerin. Die findet: „Der Fokus lag immer auf der geschlechtlichen Fortpflanzung: Wie wir es verhindern, wie wir es machen und wie wir es notfalls abbrechen“. Das ist natürlich nicht bunt genug, zu beschränkt auf das „heteronormative“.
Die Arbeit des Familienplanungszentrums Balance in Berlin-Hohenschönhausen soll dem Abhilfe leisten. Die interviewte Sexualpädagogin Lisa Frey bietet gemeinsam mit Kollegen Workshops für Schulklassen an, die alles aufgreifen soll, was die Aufklärung in der Schule nicht leistet. Inmitten von Plüschvulven und Holzpenissen wird hier über Gefühle, Liebe – und Pornos gesprochen.
Pornos sind in der Berliner Politik ein beliebtes Thema. Seit Jahren fordern die Berliner Jusos zum Beispiel „gute“, das heißt ethische und feministische, Pornos im ÖRR. Jetzt sollen Pornos auch in der Schule ein Thema werden, nach dem Motto: Darüber sprechen ist besser als einfach verbieten. Da Jugendliche heute mit sexuellen Inhalten durch das Internet weitaus früher in Berührung kommen, will man den Unterricht entsprechend anpassen.
Zu einem gewissen Teil stimmt das. Ich kann mich selbst erinnern, dass Jungs aus unserer Klasse irgendwelche Sexfilme aus dem Internet gezogen und in die Klassen-Chats geschickt haben oder in den Pausen herumgezeigt haben. Die Frage ist nur: Wem ist geholfen, wenn man deswegen ganze Klassen in Sexualkunde-Workshops schleift? Ich an solche Projekte kann ich mich nur zu gut erinnern. Die Schule macht ganz auf pädagogisch und holt irgendwelche hyperaktiven Sozialpädagogen in die Schule, die für einen Tag lang unkonventionell Aufklärungsarbeit betreiben sollen. Mir kam es so vor, als habe damals kein einziger Schüler etwas davon mitgenommen, niemand war gerne dort, jeder war froh als es vorbei war.
Selbstbefriedigung im Kita-Alter – ganz normal?
Regelrecht problematisch werden solche Projekte spätestens, wenn man sich die Motivation derer genauer anschaut, die hinter goldenen Klitoris-Plüschtieren und Holz-Penissen stehen. Das erklärte Ziel laut rbb: „Kinder und Jugendliche sollen ein sexuell selbstbestimmtes Leben führen können.“ Tja, und da geht es schon los. Warum werden Kinder und Jugendliche neuerdings oft in einem Atemzug genannt, wenn es um diese Themen geht? Die sexuelle Selbstbestimmung eines Kindes sollte allein darin bestehen, dass sie keinen Sex haben und auch nicht darüber nachdenken müssen. Ja, Kinder sind neugierig, Kinder haben Fragen – und die sollten beantwortet und eingeordnet werden. Kinder fragen Dinge wie: „Wo kommen Babys her?“ Die Beantwortung dauert zirka drei Minuten – und schon ist der Kieselstein, der gerade gefunden wurde, mindestens genauso interessant. So soll es sein. Ganz normal eben.
Die Sexualpädagogin Lisa Frey sieht das anders. Sie will „Eltern zu erreichen, bevor die Kinder in die Pubertät kommen und die Sexualität offensichtlich zum Thema wird. Dazu gehört auch das Thema Selbstbefriedigung im Kita-Alter. Es gibt viele, gerade Eltern, die das gar nicht so verstehen, dass es in dem Alter ganz üblich ist, dass Kinder sich selbst erkunden und eben auch schon merken, dass sie sich selbst stimulieren können.“ Die Sorge, man könne zu früh mit Kindern über solche Themen reden, sei auch unbegründet. Es solle „nie ein Tabu geben“, es gehe nur um die Art wie man es kommuniziere.
Dieses „Wie“ wird meiner Erfahrung nach, aber gerade in „modernen“ Herangehensweisen an dieses Thema falsch gestaltet. Wir hatten in der Grundschule eine Lehrerin, die genau das versucht hat. In einer Fragerunde, versprach sie, würde sie alle Fragen zum Thema Sex beantworten – wirklich alle. Da sahen die üblichen Kandidaten in der letzten Reihe die Chance, auf die sie immer gewartet haben.
„Hatten Sie schon mal Sex?“
„Jeder Erwachsener hatte schon mal Sex.“
„Wie war Ihr erstes Mal?“
„Sehr schön.(…)“
„Warum stöhnen die Leute immer beim Sex?“
„Weil sie das so schön finden, dass sie gar nicht mehr anders können.“
Und so weiter. Extrem unangenehm, gerade für 8-Jährige.
Auch Sexualpädagogin Lisa Frey erklärte im Interview: „Wenn ich als Lehrkraft vor der Klasse stehe und dann auch mal persönliche Fragen bekomme wie: Hatten Sie denn schon mal Analsex? Damit muss man lernen umzugehen.“ Wie kann man es also vielen Lehrern verdenken, dass sie mit solchen Fragen nicht konfrontiert werden wollen? Es tut mir ja leid, für die Sexualpädagogen, die unglaublich gern mit Plüschvulven hantieren und den ganzen Tag über Sex sprechen wollen – aber die meisten anderen Pädagogen wollen das nicht. Und das ist nichts, was man beheben muss.
Die meisten meiner Mitschüler haben sich genauso wie die Lehrer im ganz konventionellen, „starren“ Sexualunterricht am wohlsten gefühlt. „Damals“ gab es bei uns noch Mann und Frau, die haben unterschiedliche Genitalien, deren Aufbau und Funktionen es zu benennen galt, dann wurde über Verhütung gesprochen und es wurden offene Fragen beantwortet. Und dann war man damit durch. Sicher, das wird den Lehrern ganz lieb gewesen sein. Und es ist einfach so, dass die Methode „Augen zu und durch“ den Schülern meist ganz genauso lieb ist. Nur weil einige Kinder dank Internet frühsexualisiert wurden – was man schon im Auge behalten und thematisieren sollte – muss nicht gleich die ganze Klasse an unschuldigen Grundschulkindern reingezogen werden.
Diese angeblich „moderne“ Art der Sexualkunde schießt komplett am eigentlichen Ziel vorbei. Sexualunterricht ist enorm wichtig. Schon allein, damit es nie wieder eine Generation von jungen Mädchen geben wird, die von ihrer ersten Periode Todesangst bekommen. Oder um Teenager-Schwangerschaften verhindern zu können. Aber eine gemütliche Gesprächsrunde inmitten von Holzpenissen und Plüschvulven, bei denen man über Selbstbefriedigung spricht, sollte es wirklich nicht sein.