- Am Montagabend wurde in Berlin der „Poitikaward“ verliehen.
- CDU-Politiker Hendrik Wüst erhielt die Auszeichnung als „Politiker des Jahres“ – wofür, blieb selbst nach der Laudatio unklar.
- Eine skurrile Veranstaltung, die einmal mehr zeigt, wie sehr sich die Politik-Elite von der deutschen Bevölkerung entfremdet hat.
Politiker sein ist schon schwer. Nie sagt einer „schön gemacht“, wenn man die dreihundertste Reform für den Klimaschutz auf den Weg gebracht hat – niemand sieht, welchen entscheidenden Beitrag man täglich zur Weltrettung leistet. Für liebevoll kreierte TikTok-Videos, die komplexe politische Fragestellungen auch dem jüngeren Publikum nahebringen sollen, erntet man nur Häme. Es könnte sich ja auch wirklich mal jemand freuen, dass man sich überhaupt vor die Kamera getraut hat – außerdem hat man sich doch so Mühe gegeben! Am schlimmsten ist der Druck, der jeden Tag von Medien und Bürgern aufgebaut wird. Ständig soll man Entscheidungen treffen. Ist doch schwer genug, morgens schon abzuwägen, ob man aus Publicity-Gründen mit dem Fahrrad zum Bundestag fahren sollte oder doch lieber den Dienstwagen nimmt. Und wenn man was entscheidet, darf man sich in Talkshows, Interviews und Bürgertreffen das ewige Gemeckere anhören.
Gut also, dass immerhin einmal im Jahr den Helden unserer Volksvertretung Danke gesagt wird. Am Montagabend war es endlich mal wieder so weit: Im Tipi am Kanzleramt in Berlin wurde der „Politikaward“ verliehen. Eine Auszeichnung des Magazins „Politik und Kommunikation“ und der Quadriga Hochschule für herausragende politische Persönlichkeiten und Initiativen. Im Publikum saß alles, was im Berliner Regierungsviertel Rang und Namen hat: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Grünen-Chefin Ricarda Lang, die CDU-Politiker Tilman Kuban und Philipp Amthor beispielsweise. Auch „Jung und Naiv“-Sternchen Tilo Jung war dabei.
„Mit dem Politikaward richten wir den Blick auf [das] hohe Engagement der Politikerinnen und Politiker und würdigen herausragende Leistungen“, schreiben die Veranstalter auf ihrer Webseite. Natürlich ahnen wir alle schon, wer diese Auszeichnung am meisten verdient hat. Naaa, wer hat uns letztes Jahr mit seinen politischen Glanzleistungen vom Hocker gehauen?
Genau, Hendrik Wüst! Der CDU-Mann ist zum Politiker des Jahres gekürt worden. Ja genau, das ist der mit dem netten Lächeln und der netten Frau und den netten Kindern! Sie fragen, welche Leistungen er jetzt konkret erbracht hat? Wie einfältig von Ihnen… Wir wollten die Politiker doch einmal eine Pause von dem ewigen Leistungsdruck gönnen. Folgerichtig wurde Wüst in der Laudatio einfach dafür gelobt, dass er sich „Vertrauen erworben“ habe. Seine Auszeichnung wurde außerdem als „Wette auf die Zukunft“ angepriesen. Ein Empowerment, das wir doch alle mal gern hören würden, oder?
Berührend war auch die Vergabe des Preises für die „Aufsteigerin des Jahres“ – diese Trophäe ging an Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré (Grüne). Ja, das ist diese nette Frau, die manche durch ihre wichtigen Sätze wie „Afro zu tragen, ist ein Akt des Widerstands“ kennen. Die Laudatio hielt CDU-Politiker Daniel Günther – als er sich als „väterlichen Freund“ der Ausgezeichneten bezeichnet, sollen mehrere Frauen im Saal genervt gestöhnt haben. Ist schon ein Mienenfeld, so eine Preisverleihung. Hat den Frauen niemand gesagt, dass das ein meckerfreier Abend für die Politiker werden sollte?
Natürlich haben auch die Grandes Dames unserer Bundesregierung Annalena Baerbock und Nancy Faeser ihre Momente im Rampenlicht. Baerbock übergibt den Preis an die iranische Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Shadi Sadr – die stellvertretend dir die iranische Zivilgesellschaft ausgezeichnet wird. Faeser lobt sich selbst und ihre Kollegen – aber vor allem sich selbst – für das Hilfsportal „Germany4Ukraine“ für ukrainische Flüchtlinge, das irgendwer auf die Beine gestellt hat, während Faeser vermutlich gerade noch Wahlkampf in Hessen machte.
Heimlicher Höhepunkt des Abends war – zumindest für Berliner Bürgermeister Kai Wegner – wohl die Auszeichnung von Kai Wegner. Der Preis war zwar nicht direkt für ihn, sondern für die CDU-Wahlkampfkampagne „Berlin, wähl Dich neu“. Doch das sind Details. Wegner ließ sich glücklich mit Berliner Finanzsenator und Parteikollege Stefan Evers ablichten. Wenn Sie jetzt fragen, was die Herren zu lachen haben, da ja die Berliner immer noch vergeblich auf die Erfüllung der Wahlversprechen wie „Berlin ist für alle da. Auch für Autofahrer“ warten, muss ich Sie leider wieder bitten, diesen Mecker-Vibe zu unterlassen. Erst einmal sollten wir Danke sagen!
Es ist doch so: Wir alle sollten uns glücklich schätzen, von so kompetenten Politkern durch die Energie-, Inflations-, Migrations- und sonstige Krisen dieser Zeit geführt zu werden. Uns allen fällt doch nichts ein, was aktuell in der Politik besser laufen könnte, oder? ODER?