Kulturstaatsministerin Claudia Roth möchte die Filmförderung reformieren. Mehr Diversität und Geschlechtergerechtigkeit in der Branche sei von Nöten, schriebt sie in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung. Heißt: Die Filmindustrie ist Frau Roth noch nicht woke genug.

Kommentar
Nach Jahren in denen deutsche Regisseure und der deutsche Film weltweit keine großen Erfolge einfahren konnten, begeistert der von Netflix produzierte Film „Im Westen nichts Neues“ die Filmkritiker. Für neun Oscars ist der Film vom Regisseur Edward Berger dieses Jahr nominiert.
Die Deutsche Filmbranche ist also endlich wieder in aller Munde. Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth nutzt die Gunst der Stunde, um vor dem Produzententag in Berlin für mehr Diversität und Geschlechtergerechtigkeit im Film zu plädieren. Heißt im Umkehrschluss: Claudia Roth ist die Filmindustrie noch nicht woke genug.
Konkret fordert sie die Filmszene dazu auf, Veränderungen in der Gesellschaft Rechnung zu tragen. Die Branche „muss Schlüsselthemen wie die Realität der Diversität unserer Einwanderungsgesellschaft und Geschlechtergerechtigkeit in den Blick nehmen und das Thema Nachhaltigkeit viel stärker berücksichtigen.“ Claudia Roth ist die Filmindustrie also noch nicht divers und grün genug.
Frau Roth scheint kein Netflix-Abo zu haben
Doch die Realität ist eine andere. Scrollt man bei Netflix durch die Serien und Filme, dann findet man kaum einen neuen Film mehr, der sich nicht an die modernen Diversitätsvorgaben hält. Der Disney-Klassiker Arielle wird von einer schwarzen Schauspielerin gespielt, in der Serie Bridegerton, die die britische Königsfamilie thematisiert, sind mehrere Schauspieler schwarz. 2022 brachte Disney eine „Star Wars“-Kurzgeschichte heraus, in der Luke Skywalker – vielleicht der Star Wars Charakter schlechthin – plötzlich auf Männer stand und damit zur LGBTQ-Ikone wird.
Die Streamingdienste geben sich selber auch klare Vorschriften zum Thema Diversität. Schon 2021 gab sich Amazon neue Regeln, nach denen zukünftig Filme der Amazon Studios besetzt werden: Neue Inklusions-Richtlinien sollen bestimmen, welche Rollen wie und von wem gespielt werden dürfen. Es geht dem zum Filmproduzenten gewordenen Versandhaus laut Eigenaussage um „Diversität, Inklusion und Gerechtigkeit der Erzeugnisse und Inhalte”. So wird nicht nur die Besetzung künftiger Filme vor und hinter der Kamera nach genauen Geschlechter- und Herkunftsquoten festgelegt, sondern auch das Verhältnis zwischen den Schauspielern und ihren Rollen. „Es sollen nur noch Schauspieler engagiert werden, deren Identität (Geschlecht, Geschlechtsidentität, Nationalität, Ethnizität, sexuelle Orientierung, Behinderung) mit den Figuren, die sie spielen, übereinstimmt.”
Also ist genau das, was Claudia Roth eigentlich fordert, schon längst Realität.
Freier Film statt Vorschrift um Vorschrift
Roths Forderung nach noch mehr Diversität ist also weltfremd. Und ganz ehrlich: Das ständige Beharren auf diverse Charaktere, wie eine schwarze Arielle, wirkt oft nur noch erzwungen und verkrampft. Nicht jeder Film muss zwingend die Diversität der Gesellschaft darbieten. Das zeigt auch der Erfolg von „Im Westen nichts Neues“.
Dort spielt Diversität nämlich keine Rolle, Regisseur Berger zwingt sich selbst nicht den Charakteren irgendwelche queeren Identitäten hinterher zu dichten oder bewusst Schauspieler nach bestimmten Mustern zu casten.
Wieso gibt man also den Filmemachern nicht einfach Spielraum und gängelt sie nicht mit irgendwelchen Vorschriften, wer noch was spielen darf und welche gesellschaftlichen Themen wie dargestellt werden sollen? Dann werden sicher auch wieder mehr deutsche Filme Erfolg haben.