- Vor einem Berliner Nachtclub wurde Samstagnacht auf einen Türsteher geschossen.
- Es ist „nur“ ein weiterer Gewaltdelikt in der Hauptstadt, in der laut Kriminalstatistik seit Jahren die Fälle von Körperverletzung zunehmen.
- Für unsere Autorin ist die Tag ein Symbol für die verlorene Sicherheit beim Ausgehen in Berlin.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag hat ein Mann vor einem Berliner Nachtclub auf einen Türsteher geschossen. Laut Medienberichten wohl hauptsächlich, weil er wütend darüber war, dass ihm der Sicherheitsdienst den Einlass verwehrt hatte. Die Nationalität des 32-jährigen Täters ist bisher unbekannt. Es ist nur ein Fall von zahlreichen Gewaltdelikten, die sich schon seit längerer Zeit in und vor Berliner Clubs ereignen – und dennoch hat er mich ungewöhnlich hart getroffen.
Der Club, vor dem geschossen wurde, liegt in der Kulturbrauerei, einem Veranstaltungsort im Prenzlauer Berg, also dem Bezirk, der als Hochburg der wohlhabenden Ökohippies bekannt ist, die sich am Samstag auf dem Bio-Markt mit ihrem Hafermilch-Latte zuprosten. Es ist die Ecke von Berlin, in der ich aufgewachsen bin. Noch Freitagnacht bin ich mit einer Freundin ganz in der Nähe von dem besagten Club unterwegs gewesen. Das schöne Wetter hat viele Menschen auf die Straße getrieben. Die Restaurants, Imbissbuden und Bars rund um die U-Bahnstation Eberswalder Straße (in der Nähe der Kulturbrauerei) waren rappelvoll. Meine Freundin und ich haben uns in einen wuseligen Burgerladen gesetzt. Da habe ich meinen Blick schweifen lassen.
Öko-Verblödung war einmal die größte Bedrohung im Prenzlauer Berg
Neben schmerzhaft-alternativen Hipster-Outfits sind mir vor allem die vielen arabischen Gesichter aufgefallen. Auch Inder oder Pakistani mit Turban habe ich ungewöhnlich viele gesehen. Es wirkt inzwischen etwas platt, wenn man sagt, „das hat es hier früher nicht gegeben“, dennoch habe ich genau das gedacht. Als ich noch ein Kind war, im Prenzlauer Berg, erlebte ich in dem Bezirk keine größere Bedrohung als die dort vorherrschende allgemeine Öko-Verblödung. Aufwachsen im „Prenzl’-Berg“ bedeutete damals, umgeben von Mittelklasse-Wohlstand zu sein und trotzdem auf die verdammten Umwelt-Ausbeuter des Raubtier-Kapitalismus zu schimpfen. Ich erinnere mich an überhaupt keine Ausländer in meinem Kindheitskiez. Auch Obdachlose gab es quasi nicht – nur einen, der ab und zu auf einer Parkbank auf meinem Schulweg schlief, aber nie auch nur einer Fliege etwas zu Leide tat.
Natürlich kann es sein, dass ich damals einiges nicht mitbekommen habe. Mit Sicherheit wird es damals auch schon Kriminalität zwischen den etwas zu hell gestrichenen Altbauten des Öko-Zentrums gegeben haben. Dennoch: Die Gegend hat sich verändert, das merkte ich auch, als meine Freundin und ich am Freitagabend vom Burgerladen aufbrachen und uns auf die Suche nach einer Bar mit Musik und jungen Leuten machten.
Slalom-Laufen und Raubtierblicke
„Achtung“, flüsterten meine Freundin und ich uns einige Male an diesem Abend zu. Dabei deuteten wir mal auf einen Obdachlosen, der aggressiv schimpfend über den Gehweg torkelte und auf Passten zu lief – oder wir rückten näher zusammen, weil uns eine Gruppe augenscheinlich nordafrikanischer Männer mit Raubtierblick begaffte. Auch in der Bar, in der wir letzten Endes landeten, hatten wir ein schlechtes Bauchgefühl, als wir die Tanzfläche betraten. In dem kleinen Hinterzimmer des Ladens standen mehrere arabisch aussehende Männer, ein Schwarzafrikaner drückte sich schon nach wenigen Minuten mit ausgiebig Körperkontakt an mir vorbei, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, um mich herum zu gehen. Wenige Minuten später kam er frontal auf mich zu, sagte irgendwas auf Englisch und griff an meine Taille. Ich wich zurück, sagte laut „no, sorry“. Er verschwand, zum Glück. Wir gingen.
Als wir durch die Straßen liefen, weg von dieser Bar, fragte ich mich, warum ich so höflich geblieben war. Es ist nicht allzu lange her, da hätte ich dem Mann ein „Don’t touch me“ entgegen geknallt und wäre wutentbrannt aus dem Laden gestürmt. Gut, mein jugendliches Temperament hat sich inzwischen etwas gelegt, aber das ist nicht alles. Später habe ich gemerkt, dass ich vor allem mehr Angst vor diesem ausländischen Mann hatte, als früher. All die Nachrichten über Messerangriffe auf offener Straße, in Clubs und Schulen, die Machetenfunde in Berliner Parks, die Erlebnisse mit psychotischen oder drogen-wahnsinnigen Schwarzafrikanern in meiner heutigen Nachbarschaft in Kreuzberg haben mich vorsichtiger gemacht.
Inzwischen habe ich nicht mehr „nur“ Angst vor sexueller Belästigung, wenn ich zwielichtigen Gestalten beim Ausgehen begegne – mein Puls steigt auch, weil ich mich frage, ob dieser Mann wohl ein Messer bei sich trägt und es gegen mich einsetzen würde, wenn ich seine Annäherungsversuche abweise.
Suche nach zivilisierten Bars
Geh halt woanders hin, habe ich mir in den letzten Jahren immer wieder gedacht, wenn mir ein Nachtclub zu asozial oder eine Bar zu zwielichtig vorgekommen ist. In Kreuzberg gehen meine Freunde und ich beispielsweise schon lange nicht mehr aus, weil man auf offener Straße vor allem im Sommer damit rechnen muss, von einem psychotischen Obdachlosen oder Drogendealer bedroht zu werden. Manche Bars haben inzwischen Türsteher, die jedoch oft überhaupt keine erkennbare Auswahl treffen – Männergruppen, die meine Freundinnen und ich als „shady“ bezeichnen würden, lassen sie jedenfalls einfach durch. Auch in Mitte gibt es ein paar Nachtclubs, die ich meide, weil dort derartig viele Ausländer sind, dass ich mich dort nicht mehr sicher fühle.
Also fahren wir nach Charlottenburg, Schöneberg, Prenzlauer Berg – die Orte, an denen die Leute in unserem Alter häufig etwas wohlstandsverwöhnt, wenn nicht -verwahrlost sind. Dennoch: Hier hat man zumindest das Gefühl, sich in zivilisierter Gesellschaft zu befinden. Ja, man kann sagen, dass meine Freundin und ich am vergangenen Freitag auch deshalb zum Ausgehen durch die halbe Stadt in den Prenzlauer Berg gefahren sind, weil wir nach all den schlechten Ausgeh-Erfahrungen eher bereit sind, nervtötende Hipster zu ertragen, als noch einmal einen Freitagabend in ständiger „Hab-Acht“-Haltung verbringen zu müssen.
Die Flüchtlingspolitik hat Berlin wohl für immer verändert
Der Schuss vor dem Club am Sonntagabend hat mir wieder eines gezeigt: Es gibt in Berlin zunehmend keine belebten Orte mehr, an denen man sicher vor Kriminalität ist. Auch die vermeintlich „Heile Welt“ im Prenzlauer Berg gibt es nicht mehr. Überall muss man aufpassen, wer einem entgegen kommt, scannen, ob jemand bedrohlich sein könnte. Die katastrophale Flüchtlingspolitik Merkels und ihrer Nachfolger in der heutigen Bundesregierung hat unser Land wohl für immer verändert. Die Berliner Kriminalitätsstatistik bestätigt übrigens dieses Eindruck: Im Jahr 2022 wurden insgesamt 44.425 Fälle von Körperverletzung erfasst – der höchste Wert in den letzten 10 Jahren. Auch die Anzahl der Messerangriffe nahm auf 3.300 Fälle zu – 540 Taten mehr als im Vorjahr.
Natürlich kann man einen Umgang mit den neuen Berliner Verhältnissen finden, sein Leben den Umständen anpassen – meine Freundinnen und ich sind schon heute fast nur noch mit dem Auto in der Stadt unterwegs, um die Wege auf offener Straße nachts möglichst kurz halten zu können. Doch eines lässt sich auch durch Vorsichtsmaßnahmen nicht zurückgewinnen: Die Unbeschwertheit, die jungen Leuten doch eigentlich eigen ist. Wir können sie uns nicht mehr erlauben.