- Roger Waters hat seine ersten Konzerte in Deutschland abgehalten – in SS-Uniform mit Armbinde und Vergleichen des Todes von Anne Frank mit dem von Palästinensern durch Israel.
- Die Stadt Frankfurt und das Land Hessen hatten das kommende Konzert am 28. Mai zunächst untersagt, dieses Verbot hat das Verwaltungsgericht Frankfurt allerdings wieder aufgehoben.
- Nun kommen aus der Politik Forderungen „zumindest die schlimmsten antisemitischen Propagandamotive“ zu verhindern.
Schon vor dem ersten Konzert, war die Tour des Musikers Roger Waters, Mitbegründer der Band Pink Floyd, hochumstritten. Die Stadt Frankfurt und das Land Hessen als Gesellschafter der Messe Frankfurt hatten das Konzert untersagt, dieses Verbot wurde allerdings durch das Verwaltungsgericht Frankfurt aufgehoben. Auch in München hatte man versucht das Konzert zu verhindern, was allerdings aus juristischen Gründen nicht möglich war, so hieß es in einem Beschluss des Stadtrats. Damals lag die Hauptkritik in den Medien auf der pro-russischen Haltung des Sängers.
Viele nahmen die Kritik an dem Sänger nicht ernst, teils wurde es als Cancel Culture aufgefasst – doch Bilder von seinen Konzerten in München und Berlin, die nun in den Sozialen Medien die Runde machen, lassen daran zweifeln.
Er lief in Lederjacke und roter Armbinde über die Bühne, eindeutig in Anlehnung an die SS-Uniform, feuerte eine Gewehr-Attrappe ab. Dies tat er während er Stücke seiner ehemaligen Band „Pink Floyd“ aus dem Doppelalbum „The Wall“ vorführte. Er spielte dabei eine Rolle, angeblich gegen den Faschismus. Seine Botschaft war: Die Israelis sind die neuen Nazis und die Palästinenser sind die neuen Juden.
Wer mit Nazi-Symbolik gegen den einzigen jüdischen Staat der Welt hetzt, der kann so viel „Nie wieder“ skandieren wie er will – dann verwischt die Grenze zwischen Anti-Faschismus und Faschismus. Das zeichnet sich auch in Rogers Spielerei mit Nazi-Symbolik ab. Einerseits nutzt er Armbinde und Hakenkreuz-Anlehnungen zur Israel-„Kritik“, die Juden sind die neuen Nazis, die Israelis sind die Bösen.
Aber in seiner „Kritik“ an Israel lässt er die Doppeldeutigkeit auch teilweise einfach weg. Dann wird die Symbolik der Nazis nicht auf die von Israel übertragen, ihnen quasi in den Mund gelegt. Stattdessen sind dann die Israelis die direkte Adresse der Propaganda. So zum Beispiel beim Fliegenden Schwein. Ein riesiger Ballon in Form eines Schweins fliegt über das Studio. Es wird in beinahe in knalligem Rot angestrahlt. Es soll wohl das Kapitalisten-Schwein sein, darauf steht „STEAL FROM THE POOR, GIVE TO THE RICH“.
Auch darauf: Das Logo eines Israelischen Rüstungskonzerns. In vergangenen Konzerten war das anders: Da war stattdessen direkt der Davidstern abgebildet. Während des Konzerts wurden diese Ballons mit akustischen Gewehrsalven symbolisch erschossen. Nach den Konzerten wird es dann in der Regel vom Publikum zerstört.
Der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker (CDU) hat nun an die Stadt Frankfurt aufgefordert zu prüfen, ob man „zumindest die schlimmsten antisemitischen Propagandamotive“ verhindern kann: „Nach den bereits stattgefunden Konzerten in Berlin und München ist klar, dass Roger Waters bei dieser Tour wie befürchtet Hass gegen Israel mit antisemitischen und holocaustrelativierenden Bildmotiven verbreitet.“
Nach all dem stellt sich die Frage: Muss er das ausgerechnet in Deutschland machen? Gerade der Ort des anstehenden Konzerts in Frankfurt ist besonders geschichtsträchtig. Die Festhalle Frankfurt wurde zu Nazi-Zeiten für die Deportation von Juden genutzt. Wenn man nach den vorangegangenen Konzerten geht, wird dies nun der Ort sein, an dem der Tod von Anne Frank mit dem Tod von Palästinensern und George Floyd gleichgesetzt wird und fliegende Schweine, stellvertretend mit Israelischen Konzernen oder den Juden selbst, zerfetzt werden.
Ins Ausland wirft das zurecht ein fragwürdiges Bild. Der offizielle Account von Israel postete auf Twitter: Am Mittwoch: „Guten Morgen an alle außer Roger Water, der den Abend in Berlin (Ja Berlin) damit verbracht hat, das Andenken an Anne Frank und die 6 Millionen im Holocaust ermordeten Juden zu entweihen.“
Ist das noch Kunst oder gehört das Verboten?
Es ist ein Konflikt, vor dem Musik-Fans oft stehen, gerade bei so alten Bands wie Pink Floyd: Man mag die Musik und plötzlich fangen die Musiker an, ihren Mund für etwas anderes aufzumachen als zum Singen. Dann steht man vor der Frage: Darf beziehungsweise sollte man die Lieder nicht mehr hören oder kann man den Künstler von seiner Kunst trennen?
Wenn diese Trennung nicht möglich wäre, dann gäbe es wohl schon längst keine Kunst mehr. Gerade in der Musik- und Kunstszene, die gezeichnet ist von extravaganten Mode-Erscheinungen (auch im politischen Sinne), völlig weltfremden Millionären und – nicht zu vergessen – ordentlich viel Drogen, Medikamentenmissbrauch und Alkohol, dürfte die Suche nach normalen Menschen mit gemäßigten Ansichten und weißer Weste schwerfallen. Und schließlich beraubt man sich selbst, wenn man keine Filme, keine Musik und auch sonst nichts mehr einfach nur konsumieren darf, ohne aus allem einen politischen Akt zu machen. Währenddessen sitzt der Künstler in seinem Elfenbeinturm und bekommt von dem Boykott nichts mit oder er kann ihm nichts anhaben.
Was die Alben von Pink Floyd angeht – die können durchaus von den Äußerungen und Ansichten eines einzigen Bandenmitglieds getrennt werden. Die Konzerte allerdings nicht. Denn das lässt Roger Waters selbst gar nicht zu. Zu Beginn des Auftritts kündigt er an: „Wenn ihr zu diesen ‚Ich liebe Pink Floyd, aber ich kann Rogers Politik nicht ausstehen‘-Leuten gehört, dann verpisst euch sofort an die Bar!“ Nicht nur sorgt er damit dafür, dass jeder, der an seinem Platz sitzen bleibt (nachdem er über 100€ dafür gezahlt hat) direkt als Anhänger seiner Politik zu interpretieren ist, er spricht seiner Musik damit auch die Universalität ab. Er lässt nicht zu, dass jeder die Botschaften seiner Lieder so interpretiert, wie er es will. Die Lieder die er im Konzert spielt, begleitet mit Nazi-Symbolik und Palästina-Propaganda, sind nur auf eine einzige Weise zu verstehen.
Das kann er ja machen. Aber nicht bei uns.