
Von Larissa Fußer
Erst vor wenigen Wochen erklärte Ludgera Selting als Vorsitzende des Berliner Verfassungsgerichtshofes, dass die Berlin-Wahl komplett wiederholt werden muss. Jetzt sieht es so aus, als würde Selting dafür von der Politik die Quittung bekommen.
Am 16. November 2022 hat Ludgera Selting das Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshofes zur Berlin-Wahl verkündet. Ihre Worte waren deutlich: Wegen „schwerer systemischer Mängel“ in der Vorbereitung und einer „Vielzahl schwerer Wahlfehler“ sei die Wahl ungültig und müsse komplett wiederholt werden. Sowohl das Abgeordnetenhaus als auch die Bezirksverordnetenversammlungen muss nun am 12. Februar neu gewählt werden, selbst die Stimme für die Bundestagswahl wird voraussichtlich in vielen Berliner Wahlbezirken erneut abgegeben werden müssen.
Diese Entscheidung hatte nun allen Anschein nach negative Konsequenzen für die Karriere der 58-Jährigen. Am 7. Dezember sollte Selting laut Medienberichten zur Präsidentin des Amtsgerichtes Wedding gewählt werden. Vorgeschlagen worden war sie von Justizsenatorin Lena Kreck (Linke). Bisher ist sie hauptberuflich als Vize-Präsidentin des Landgerichtes tätig – den Vorsitz des Verfassungsgerichtshofes betreibt sie, wie alle Verfassungsrichter, rein ehrenamtlich.
Der Aufstieg zur Präsidentin des Landgerichtes Wedding wäre ein Karrieresprung für Selting gewesen – nun ist er offenbar kurzfristig einkassiert worden. Laut Informationen des Tagesspiegels hat der geheim tagende Richterwahlausschuss deutlich gemacht, dass es keine Mehrheit mehr für Selting geben werde. Die Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) zog danach kurzerhand ihren Vorschlag zurück. Als Grund für den Stimmungswechsel wird in Richterkreisen anscheinend „Rache“ für das Wahl-Wiederholungs-Urteil vermutet. Der Richterwahlausschuss setzt sich immerhin aus Mitgliedern eben des Abgeordnetenhauses zusammen, das kürzlich von Selting für nicht legitimiert erklärt wurde.
Gerade SPD, FDP und Linke könnten durch die Wahlwiederholung deutliche Einbußen verzeichnen. Dennoch: Wenn die Abgeordneten die Richterin wirklich dafür bestraft haben, dass sie eine Wahl wiederholen lässt, die sie selbst (bzw. ihre Parteikollegen) verpatzt haben, dann zeigt das vor allem eins: Die Berliner Politik hat für funktionierende Gewaltenteilung genauso wenig Verständnis wie für die Notwendigkeit einer korrekten Wahl-Durchführung.