Inmitten linker Großproteste gegen die geplante Justizreform feuerte Israels Premier Netanjahu seinen Verteidigungsminister, weil dieser sich für einen Stopp der Reform ausprach. Nun will Netanjahu angeblich selbst die Justizreform stoppen. Konservative Kräfte mobilisieren jetzt gegen den Stopp.
Nach wochenlangen Protesten gegen die geplante Justizreform der neuen Netanjahu-Regierung, sprach sich am Samstag Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant (Likud) für ein zeitweise Pause der Bestrebungen seiner Regierung aus. Netanjahus Reaktion folgte prompt. Er entließ kurzerhand seinen Parteifreund. Daraufhin verschärfte sich die Lage weiter.
Als Israel, nach fünf Wahlen innerhalb von drei Jahren, endlich eine mehr oder minder stabile Regierungskoalition gefunden hatte, war klar, dass eine Justizreform auf dem Plan des neuen alten Premierministers Netanjahus stand. Alle Parteien der neuen Regierung sprachen sich bereits im Wahlkampf für eine Reform aus und wurden mit diesem Versprechen gewählt. Anfang Januar wurden dann die Pläne angekündigt. In deutschen Medien folgte ein Aufschrei.
Israels Justiz besitzt viel Macht. Vor allem das oberste Gericht fällt häufig durch oft äußerst kontroverse und als politisch angesehene Entscheidungen auf. Richter des obersten Gerichtes haben, anders als in Deutschland keine in Jahren festgelegte Amtszeit, sondern können bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres im Amt bleiben. Deshalb war es schon jahrelang ein ausgesprochenes Ziel konservativer Kräfte in Israel, die höhere Justiz zu reformieren.
Der Justizminister Yariv Levin plante nun, die Macht des höheren Gerichts einzuschränken. Die Richter sollen zukünftig von einem Ausschuss ausgewählt werden, der mehrheitlich aus Regierungsmitgliedern besteht. Zum Vergleich: In Deutschland sind es ausschließlich Politiker, die die Verfassungsrichter bestimmten. Außerdem sollen die Entscheidungen des obersten Gerichts, die nicht einstimmig gefällt wurden, vom israelischen Parlament Knesset überstimmt werden können. Der Justizminister verteidigte die Reform damit, richterlichen Aktivismus verhindern zu wollen und die Macht der nicht gewählten Richter zurück in die Hand des Volkes zu geben.
Die Gegner der Reform sehen stattdessen die Gefahr, dass eine antidemokratische Regierung – aus ihrer Sicht die aktuelle – die Demokratie abschaffen könne. Deshalb geht die Opposition mit einem gewissen Fatalismus an die Sache heran. Wochenlang demonstrierten Hunderttausende im ganzen Land. Netanjahu bot den Demonstranten den Dialog an, doch die politische Lage verbesserte sich nicht.
Nun kam es so weit, dass selbst Mitglieder seiner Regierung Zweifel an der Reform bekamen. Die Entlassung des untreuen Verteidigungsministers Gallant hat nur noch mehr Öl ins Feuer gegossen. Am Sonntag demonstrierten ungefähr 700.000 Menschen in ganz Israel. In Jerusalem durchbrochen Demonstranten Polizeisperren. Nun rief der Chef der israelischen Gewerkschaften Arnon Bar-David zum Generalstreik auf.
Obwohl er noch bis zuletzt die Justizreform entschiedest verteidigt hatte, soll Premier Netanjahu, laut Berichte aus seinem Umfeld, in einer Fernsehansprache den Stopp der Justizreform verkünden. Als Reaktion darauf, mobilisieren nun konservative und rechte Gruppen gegen den Stopp und rufen zu Protesten auf. Die Zukunft der Justizreform ist damit in der Schwebe.
Zahlreiche Politiker, sogar das repräsentative Staatsoberhaupt Israels, Präsident Hertzog, haben den Stopp der Reform gefordert. Auf der anderen Seite steht die demokratisch gewählte Regierung, mit einer Mehrheit im Parlament. Auch wenn der Widerstand aus Netanjahus eigener Partei erstarkt, scheint „Bibi“ immer noch fest im Sattel zu sitzen. Alles hängt wohl an der angekündigten Fernsehansprache des Premierministers. Noch scheint dieser aber noch abzuwarten.