- Bund und Länder haben sich am Mittwoch auf eine strengere Migrationspolitik geeinigt.
- In der entscheidenden Finanzierungsfrage gab es keine Einigung – diese wurde um Monate vertagt.
- Von Kommunen und einigen Ländern hagelt es heftige Kritik.
Abschiebungen und Grenzkontrollen: Um Abschiebungen konsequenter durchzusetzen, haben sich Bund und Länder darauf verständigt, die maximale Dauer des Ausreisegewahrsams von derzeit 10 auf 28 Tage zu verlängern, sagte Scholz. Vereinbart wurden den Angaben zufolge auch erweiterte Zuständigkeiten der Bundespolizei und ein verbesserter Informationsaustausch zwischen Justiz- und Ausländerbehörden.
„Um Bund, Länder und Kommunen zu entlasten, ist die irreguläre Migration spürbar zu reduzieren“, heißt es in dem Beschluss, auf denen sich die Teilnehmer des Flüchtlingsgipfels einigten. Wer dafür die Verantwortung trägt, blieb allerdings offen. An anderer Stelle wird festgehalten: „Lageabhängig wird der Bund das im Verhältnis zu Österreich bestehende Grenzsicherungskonzept auch an anderen Binnengrenzen Deutschlands nach Konsultation mit den betreffenden Ländern der Bundesrepublik Deutschland etablieren.“ Dies müsste Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dann bei der EU-Kommission anmelden.
Eigentlich gibt es im Schengen-Raum, dem 26 europäische Länder angehören, keine stationären Personenkontrollen an den Grenzen. In den vergangenen Jahren hatten aber mehrere Staaten eine Ausnahmeregelung genutzt. Deutschland kontrolliert seit Herbst 2015 in Bayern an der Grenze zu Österreich, nachdem sich Zehntausende Flüchtlinge und andere Migranten von Griechenland über die Balkan-Route auf den Weg nach Westeuropa gemacht hatten.
Brisante Finanzfrage vertagt: Bund und Länder haben bei ihrem Flüchtlingsgipfel keine Grundsatzentscheidung über dauerhaft höhere Bundesmittel zur Unterbringung und Versorgung von Schutzsuchenden getroffen. Der Bund wird aber für das Jahr 2023 die Flüchtlingspauschale an die Länder um eine Milliarde Euro erhöhen.
Damit sollen die Länder dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren. Der Bund hatte zuvor bereits 1,5 Milliarden Euro für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in diesem Jahr zugesagt sowie 1,25 Milliarden Euro für andere Geflüchtete. Eine weitere Entscheidung dazu wurde auf November vertagt. In dem gemeinsamen Beschluss heißt es, eine Arbeitsgruppe werde diese Entscheidung vorbereiten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder würden bei ihrer regulären Zusammenkunft Mitte Juni den Zwischenstand beraten.
„Mehr war eben nicht drin“, bilanzierte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). „Das muss man heute so klar sagen.“ Auf die zentrale Frage nach einer dauerhaft höheren Beteiligung des Bundes hätten die Länder noch keine Antwort erhalten.
So habe es keine Einigung gegeben auf die von Ländern und Kommunen gewünschte vollständige Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung für Flüchtlinge durch den Bund. Offen seien auch die Fragen nach höherer Kostenbeteiligung für Integration und für minderjährige Flüchtlinge. Dennoch sei die zusätzliche Milliarde vom Bund anzuerkennen. Immerhin gebe es nun einen Fahrplan, wie auf dem Weg zu einer dauerhaft fairen, verlässlichen Finanzierung voranzuschreiten sei.
Heftige Kritik: Sachsen, Bayern und Sachsen-Anhalt hielten in einer Protokollerklärung zu dem Beschluss fest: „Das zentrale Problem ist die fortgesetzte irreguläre Migration. Alle bisher von Bundesseite getroffenen Maßnahmen haben nicht zu einer nachhaltigen Zuzugsbeschränkung geführt.“ Die vom Bund vorgesehene Erhöhung um eine Milliarde Euro sei „völlig unzureichend“ und werde der Belastungssituation in den Kommunen nicht gerecht. Thüringen sprach sich in einer weiteren Protokollerklärung gegen eine Verlagerung von Asylverfahren an die EU-Außengrenzen aus, wie sie derzeit auf europäischer Ebene diskutiert wird.
Das drängende Problem: In den ersten vier Monaten dieses Jahres hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 101 981 Asylerstanträge entgegengenommen. Das ist eine Zunahme der Antragszahlen um rund 78 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Hauptherkunftsländer waren seit Jahresbeginn Syrien, Afghanistan und die Türkei. Im vergangenen Jahr hatten rund 218 000 Menschen erstmals einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Außerdem müssen die Kommunen mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine unterbringen. Diese müssen keine Asylanträge stellen.