- Til Schweiger wird seit Tagen medial attackiert.
- Dem Filmstar werden ein Alkoholproblem, Schikanierungen und Gewalt am Set vorgeworfen.
- Dabei wussten alle seine Mitarbeiter genau, was sie erwartet.
„ALKOHOL- UND GEWALTVORWÜRFE. Til Schweiger – Flucht nach Mallorca“, titelte die Bild-Zeitung am Sonntag. Es ist nur eine von den aktuell massenhaft zu lesenden Hammer-Schlagzeilen gegen den Filmstar: „Til Schweiger: Alkohol und Schläge beim Dreh?“, schrieb die Süddeutsche Zeitung, „Til Schweiger: Nora Tschirner spricht über ‘Klima der Angst‘“ am Filmset“, liest man bei RTL News. Die Bild allein hat in den letzten drei Tagen zwölf Zerreiß-Artikel über die Causa Schweiger veröffentlicht. Dem Leser drängt sich auf: Hier geht es nicht mehr nur um öffentliche Kritik am Fehlverhalten eines Promis. Til Schweiger soll vernichtet werden. Endgültig, für immer. Nur, wofür?
Alles begann am Freitag mit einem großspurigen „Enthüllungsartikel“ im Spiegel. Mit mehr als fünfzig Filmschaffenden will das Magazin gesprochen haben, um jetzt endlich mal offen zu legen: Til Schweiger ist ein Arschloch. Das ist natürlich kein Zitat. Aber der O-Ton, den der Leser aus dem mehrseitigen Manifest mitnimmt. Konkret listet Spiegel mehrere Vorwürfe auf, die Mitarbeiter von Til Schweiger gegen ihn erheben. Unter anderem ist von einem Vorfall im Juli 2022 die Rede, bei dem Schweiger stark betrunken am Set von „Manta Manta – Zwoter Teil“ erschienen sein soll. Als ein hochrangiger Mitarbeiter der Film-Produktionsfirma ihm den Weg versperrte und ihn darauf hinwies, dass er in diesem Zustand nicht arbeiten könne, sei Schweiger ausgerastet und habe dem Mitarbeiter ins Gesicht geschlagen.
Fünfzig Mitarbeiter werfen Schweiger „Schikane und Gewalt“ vor
Dies sei, laut den Spiegel-Schilderungen, nur der Höhepunkt von vielen Jahren „Schikane und Gewalt“ bei Schweigers Filmdrehs gewesen. Die Mitarbeiter, die allesamt darauf bestehen, anonym zu bleiben, schildern eine Reihe von alkoholisierten Ausrastern Schweigers am Filmset. Schweiger habe oft schon früh am Morgen Alkohol beim Filmdreh getrunken, oft sei er dann ausfallend geworden. Manchmal, so berichtet der Spiegel, habe er sich im Nachhinein für sein Verhalten entschuldigt.
Ein Dorn im Auge sei den Mitarbeitern auch die Arbeitsatmosphäre, die bei Schweigers Filmdrehs herrsche. Schweiger dehne Arbeitszeiten beispielsweise so lange aus, bis „Crewmitglieder körperlich und psychisch am Ende“ seien. Der ständige „Zeitdruck am Set“ habe schon zu mehreren Unfällen geführt. Außerdem, beschweren sich die Mitarbeiter, habe Schweiger oft spontan Szenen drehen wollen, die im ursprünglichen Drehbuch nicht vorgesehen waren. Er habe Mitarbeiter als „schlecht“, „dumm“ und „scheiße“ bezeichnet.
Im Spiegel wird auch der Fall von einer anonymen Mitarbeiterin berichtet, die Schweiger am Set aufgefordert haben soll, ihm ein Bier zu holen. „Wenn das Bier nicht kalt ist, dann reiße ich dir den Kopf ab“, soll Schweiger zu der Mitarbeiterin gesagt haben. Daraufhin sei die Mitarbeiterin wortlos weggegangen, Schweiger sei ihr gefolgt und habe sie gefragt, warum sie vor ihm fortlaufe. Sie habe dann gesagt: „Weil ich jetzt mal durchatmen muss“. Schweiger sei daraufhin nah an sie heran getreten und habe „sinngemäß“ gesagt: Er entscheide, wann sie atme. „Überprüfen“, schreibt der Spiegel unverholen, „lässt sich diese Schilderung nicht.“
Til Schweiger ist nicht der einzige exzentrische Regisseur
Spätestens hier dürften viele Leser gestockt haben. Was genau ist hier der Vorwurf? Gewalt gegen Mitarbeiter – okay, das geht nicht, da sollten Journalisten ausführlich recherchieren und versuchen, Beweise für die Schilderungen zu finden. Fakt ist: Eine Anzeige gibt es zu dem Vorfall bis heute nicht. Stattdessen fokussieren sich die Vorwürfe der Mitarbeiter und Medien auf Alkohol am Arbeitsplatz, anstrengende Arbeitsbedingungen, spontane Änderungen des Tagesplans und einen Chef, der seine Mitarbeiter als „dumm“ bezeichnet. Wollen diese Filmschaffenden uns wirklich weiß machen, Til Schweiger sei der erste exzentrische Regisseur, von dem solche Geschichten bekannt sind?
Star-Regisseur Stanley Kubrick, berühmt für „Clockwork Orange“, soll 148 Takes für eine einzige Aufnahme in „The Shining“ verlangt haben. Von Filmemacher Werner Herzog wird erzählt, dass er und Schauspieler Klaus Kinski sich am Set regelmäßig mit Waffengewalt gedroht haben sollen. Die Liste ließe sich lang weiterführen.
Wer schon einmal dabei war, wenn Chirurgen im OP Anweisungen geben, kann über die Vorwürfe gegen Schweiger nur schmunzeln. Wenn dort nicht auf die Sekunde jedes benötigte Instrument bereit liegt, kann sich die OP-Schwester freuen, wenn sie nur „dumm“ genannt wird. Und fragen Sie mal in der Klinik für Innere Medizin einen Arzt, wann er das letzte Mal keine belastenden Arbeitszeiten hatte – er wird mit todmüdem Blick schweigen.
Die Mediziner und Schweigers Mitarbeiter haben eins gemeinsam: Sie wussten, worauf sie sich einlassen, als sie ihren Job annahmen. Wie Spiegel selbst berichtet, sind Schweigers Arbeitsweise und Alkohol-Probleme schon seit Jahren bekannt. Die Mitarbeiter haben trotzdem immer wieder bei seinen Filmen mitgemacht. Den Grund geben die vom Spiegel zitierten Kollegen sogar ehrlich zu: Die Arbeit für Schweiger brachte verlässlich Geld und Ruhm. „Die Filme, die Schweiger macht, haben zu einem großen Teil Erfolg. Und von diesem Kuchen, also der Kohle, wollen alle etwas abhaben“, zitiert Spiegel einen Mitarbeiter.
Eine mediale Vernichtungskapagne
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Mitarbeiter, die ein Jobangebot wegen der vielversprechenden Bezahlung angenommen haben – im vollen Bewusstsein, dass ihr Chef wohl ein Unsympath ist und viel von ihnen abverlangen wird – beklagen sich im Nachhinein nicht nur über diesen Chef, oder bringen den im Raum stehenden Gewalt-Vorwurf zur Anklage. Nein, sie bringen mit nicht weniger als fünfzig anderen Mitarbeitern eine mediale Vernichtungskapagne ins Rollen, an deren Ende, so bekommt man den Eindruck, nicht weniger als die Ausradierung Schweigers aus dem öffentlichen Leben stehen soll.
Die Medien spingen bereitwillig auf den Vernichtungs-Zug auf, schreiben in wenigen Tagen eine Masse an Anklage-Artikeln herbei, die in Bezug auf die Gewalt-Vorwürfe zwar keinerlei neue Beweise oder Erkenntnisse beitragen, stattdessen jedoch eine Reihe von Gerüchten von anonymen Anklägern unkritisch wiedergeben und mit eigenen Mutmaßungen untermalen. Statt kritischen Journalismus zu betreiben, stürzen sich sämtliche Medienhäuser mit Gebrüll auf die unbewiesenen Vorwürfe gegen Schweiger und geben ihr bestes, den offensichtlich von seinen Mitarbeitern gewollten Untergang Schweigers, auch zu verwirklichen.
Am Sonntag veröffentlichte die Bild eine Sendung ihres Unterhaltungs-Formats „Zuckerbrot und Peitsche“ zum Thema Schweiger. Darin sagte eine Bild-Journalistin: „Er hat ja auch Kinder. Es ist nicht schön, solche Videos zu sehen, vom eigenen Vater“. Die Journalistin bezog sich dabei auf Aufnahmen von Til Schweiger, in den Sozialen Medien, die ihn stark betrunken zeigten. Was auch immer an den Vorwürfen gegen Til Schweiger dran sein sollte – warum erinnert sich keiner der Journalisten, die aktuell die Vernichtungskampagne gegen Schweiger betreiben, genau daran? Dieser Mann hat Kinder, auch dieser Mann ist ein Mensch mit dem Recht auf Unschuldsvermutung. Doch im Jahr 2023 kann man offenbar immer noch für vogelfrei erklärt werden.