- Das 49-Euro-Ticket gilt seit dem 1. Mai.
- Der Nutzen im ländlichen Raum wird als gering eingeschätzt – es ist kaum ein Klima-Effekt erwartbar.
- Die Union warnt vor ausgedünnten Fahrplänen.
Analyse von Julius Böhm.
Das 49 Euro-Ticket ist da. Was die Ampel-Regierung als klima- und sozialpolitischen Erfolg feiert, ist bei genauerer Betrachtung jedoch ein Steuergeschenk einzig für Stadtbewohner ohne Effekt auf Verkehr und Klima. Das Positive vorweg: Mit dem 49 Euro-Ticket ist es möglich, ohne Ticket- oder Verkehrsverbund-Durcheinander quer durch Deutschland zu reisen. Ein Meilenstein in Sachen Einfachheit und Digitalisierung im Öffentlichen Nahverkehr.
Trotz der großen sozial- und klimapolitischen Versprechen, des günstigen Preises und knapp vier Wochen Vorverkauf, waren bis kurz vor Start nur 750.000 Tickets verkauft – pünktlich am 1. Mai kam es bei der Bahn-App dann zu Störungen, weil die Nachfrage offenbar zu hoch war. Bis zu 17 Millionen Tickets will die Bahn an den Mann bringen (11 Millionen Abos gibt es bereits).
Völlig offen ist, ob die Verkehrsbetriebe eine solche zusätzliche Fahrgastlast – so sie denn wirklich zu erwarten ist – bewältigen kann. Knut Ringat ist hin- und hergerissen: „Das Deutschlandticket kann der Startschuss sein, den öffentlichen Nahverkehr in der Zukunft wirklich zu revolutionieren und ins Zentrum des Verkehrs zu rücken. Wir beim RMV haben großartige Verkaufszahlen, besonders bei den Neu-Kunden“, so der Chef des Rhein-Main-Verkehrsbundes (RMV) und Vizepräsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zu pleiteticker.de.
Klar sei aber auch, so Ringat, dass „ein günstiger Preis allein diese Revolution nicht leisten können wird. Damit wirklich viele Menschen in Zukunft den ÖPNV nutzen, müssen Angebot und Qualität massiv ausgebaut werden – und das braucht massive Investitionen, auch von staatlicher Seite.“
Union warnt: Qualität wird noch schlechter
Der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Bareiß, sieht durch das Deutschlandticket sogar eine Schwächung der Qualität: „Trotz enormen Mehrausgaben und vollmundigen Ankündigungen der Bundesregierung wird das Angebot und die Qualität des öffentlichen Nahverkehrs aber leider nicht besser, im Gegenteil. Viele ÖPNV Unternehmen klagen über Kostensteigerungen und Fahrermangel. Diejenigen, die vor Ort den öffentlichen Nahverkehr bewältigen, fühlen sich vom Bund im Stich gelassen. Wenn in den nächsten Monaten keine spürbare Verbesserung kommt wird in vielen Regionen Deutschlands der Fahrplan ausgedünnt“, so Bareiß zu pleiteticker.de.
Das würde, so Bareiß, vor allem Menschen im ländlichen Raum treffen: „Für alle, die nicht in einer Großstadt leben und arbeiten und kein dichtes S- und U-Bahn Netz nutzen können ist das eine schlechte Nachricht.“ Ohnehin ist das Deutschlandticket eine Rabattaktion für Menschen im urbanen Raum und mit guter ÖPNV-Anbindung, die alle deutschen Steuerzahler gemeinsam finanzieren dürfen – bisher teilen sich die Bund und Länder die geplanten Mehrkosten von drei Milliarden Euro hälftig. Schon jetzt ist klar, dass dieser Betrag 2024 nicht mehr reichen wird, um den Preis von 49 Euro halten zu können.
Klima-Effekt: nicht erwartbar
Ein weiteres Ziel des Deutschlandtickets ist es, Menschen vom Auto auf die Schiene zu bewegen, um so CO2-Emissionen zu sparen und dem Klimaschutz Genüge zu tun – einzig: Das ist nicht erwartbar. Als das 9-Euro-Ticket im Frühjahr 2022 mehr als 50 Millionen Mal verkauft wurde, gab es jedenfalls keinen spürbaren Wechsel der Verkehrsträger: Zwar sind Fahrten mit Regional- und S-Bahnen explodiert, der Autoverkehr blieb aber nahezu gleich. Ein weiteres Indiz dafür, dass Menschen, die sowieso Bahn fahren, das überregionale Ticket für zusätzliche Freizeitfahrten nutzen – wer aber auf das Auto angewiesen ist, dieses auch weiterhin nutzen wird.