Der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager, hat nach den tumultartigen Protesten gegen eine neue Unterkunft für Geflüchtete in Mecklenburg-Vorpommern Alarm geschlagen. Die Lage dürfe nicht vollends aus dem Ruder laufen, heißt es – das Problem drohe, an vielen Orten zu eskalieren.

„Wir haben kaum noch freie Kapazitäten. Die Leute kommen teilweise in Zelten unter.“ Was Landkreistags-Präsident Reinhard Sager beschreibt, ist ein Notstand – bundesweit. Die Kommunen seien mit der aktuellen Flüchtlingslage überfordert, meint der CDU-Politiker aus Schleswig-Holstein. Aufnahmekapazitäten seien finanziell wie sozial am Limit. „Mittlerweile ergibt sich bei den Wohnkosten für anerkannte Flüchtlinge insgesamt eine Lücke von zwei Milliarden Euro pro Jahr. Wir wollen deshalb ein Treffen mit dem Kanzler zu den Flüchtlingsfragen.“
Die Bundesregierung müsse endlich handeln. Denn der Migrationsdruck laste unverhältnismäßig auf Deutschland. „Die EU hat 455 Millionen Einwohner. Die Aufnahme so vieler Asylbewerber und ukrainischer Flüchtlinge in die EU ist zahlenmäßig also eigentlich kein Problem“, stellt Sager im Interview mit der FAZ fest. Aber Deutschland ist der bevorzugte Zufluchtsort. Hier müsste die Regierung viel mehr tun, um eine gleichmäßigere Verteilung und auch eine Begrenzung zu gewährleisten. Denn: „Die einseitige Belastung Deutschlands ist mit erheblichem gesellschaftlichem Sprengstoff verbunden. Es entsteht jedenfalls großer Schaden in Deutschland, wenn die Kommunen in eine Lage gebracht werden, in der sie nicht mehr handeln können. Dann verlieren die Bürger nicht nur Vertrauen in ihre Kommunen, sondern in den Staat als Ganzes.“ Viele Kreise haben laut Sager kaum noch Wohnraum und müssten dringend entlastet werden.
Nach den tumultartigen Protesten gegen eine neue Flüchtlingsunterkunft in Mecklenburg-Vorpommern mahnt der Landrat zur Vorsicht. Könnten sich solche Tumulte wiederholen? „Die Gefahr besteht“, meint Sager. „Denn das Problem droht tatsächlich an vielen Orten zu eskalieren. Das ist in ganz Deutschland mittlerweile der Fall.“
Den Menschen aus der Ukraine muss man schon aus humanitären Gründen helfen, sagt Sager. Auch Menschen, die einen Asylgrund haben, könnten nach Deutschland kommen – eine Aufnahmeverweigerung, betont der Landrat, sei keine Problemlösung. Aber die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge müsse reduziert werden. „In der EU müsste geregelt werden, dass Menschen, die schon Zuflucht gefunden haben, nicht alle automatisch nach Deutschland weitergeleitet werden, weil hier die Sozialstandards am höchsten sind. In Fällen ohne Aufenthaltsrecht sollte außerdem die Rückführung konsequenter durchgesetzt werden.“ 300.000 Menschen in Deutschland seien Ausreisepflichtig, stellt Sager fest. „Die Ampel-Regierung hat ja angekündigt, eine Rückführungsoffensive starten zu wollen. Davon ist in Deutschland wenig zu sehen.“