
Von RALF SCHULER
Wenn der Rechtsstaat beim Regieren stört… Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will Mitarbeiter und Beamten im Öffentlichen Dienst künftig leichter loswerden, wenn der Verdacht auf Demokratiefeindlichkeit besteht.
Rauswurf auf Verdacht?
Das ist kein übler Scherz oder böse Nachrede, sondern der Plan der Verfassungsministerin. Wenn es Verdachtsmomente gebe, sagte sie in der ARD-Sendung „Maischberger“, „muss man die Möglichkeit haben, jemanden schnell rauszubekommen. Wir haben eine gute Idee gefunden, das zu tun.“
Der Betroffene werde auch ohne jegliche Beweise mittels eines einfachen Verwaltungsaktes aus dem Dienst entfernt und müsse dann selbst seine Unschuld beweisen, zitiert der Münchner Merkur die Ministerin. Bisher habe stets der Staat den Verdacht beweisen müssen. Das sei jedoch zu schwierig, weshalb man das Grundprinzip der Rechtsstaatlichkeit aufgebe und lieber dem Verdächtigen künftig die Beweislast übertrage, „zu sagen, ich bin aber anständig und hab mir nichts zuschulden kommen lassen“.
Wendt: Ein unbewiesener Vorwurf und Beamten ständen vor dem Ruin
Ein Unding, sagt Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft DPolG, zu Pleiteticker.de. „Es ist richtig, dass es hohe Hürden gibt, wenn man jemanden rauswerfen will. Hier sollen ausgerechnet im Öffentlichen Dienst grundlegende Arbeitnehmerrechte ausgehebelt und der Mitarbeiterapparat gefügig gemacht werden.“ In Zeiten, da anonyme Meldeportale für angebliche Fehltritte eingerichtet werden, öffne die Umkehr der Beweislast willkürlichen Kündigungen Tür und Tor, so Wendt. „Wenn die Pläne der Ministerin umgesetzt werden, genügt ein unbewiesener Vorwurf, und ein Beamter oder Bediensteter steht unversehens vor dem privaten Ruin und muss sich langwierig wieder einklagen, wenn er seinen Job zurückhaben will.“
Kubicki: Staat muss Beamte vor „anlasslosen Denunziationen“ schützen
Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) geht deutlich auf Distanz zur Ampel-Innenministerin. Er sagte Pleiteticker.de : „Ohne Kenntnis einer konkreten Vorlage klingt eine Beweislastumkehr für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zunächst einmal nicht so, wie ich mir ein vernünftiges Dienstverhältnis vorstelle. Ich gehe davon aus, dass die Innenministerin diese Idee konkretisiert und eine Vorlage ausformuliert. Ich denke nicht, dass die Innenministerin unsere verfassungsmäßigen Grundlagen außer Acht lässt.“
Kubicki stellte auch klar: „Der Staat hat die Pflicht seine Beamten zu schützen, beispielsweise vor dienstrechtlichen Folgen anlassloser Denunziationen.“
Beweislastumkehr „rechtsstaatswidrig“
Prof. Patrick Sensburg, Präsident des Reservistenverbandes und Dozent an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Köln hält Faesers Vorstoß für schlicht „rechtsstaatswidrig“. „Ich halte gar nichts davon“, sagte der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und Rechtspolitiker gegenüber pleiteticker.de. Sensburg hält die Umkehr der Beweislast zudem für überflüssig. „Die im Zuge der jüngsten Razzia genannten Militärangehörigen sind seit langem mit ihren Umtrieben bekannt. Man hätte sie längst rausschmeißen oder ihnen die Pension entziehen können“, sagt Sensburg. „Wir brauchen keine Umkehr der Beweislast, sondern mehr Ermittler und rasche Entscheidungen der Verwaltungsrichter. Wir brauchen nicht weniger Rechtsstaat, sondern einen schlagkräftigeren.“
Sensburg verweist als Beispiel auf einen Gefreiten, der auf eine Anti-Masken-Demo geht, weil er – völlig zulässig – die Corona-Politik der Bundesregierung kritisiert und anschließend nachweisen soll, dass er kein militanter Querdenker, Reichsbürger oder sonstiger Verfassungsfeind ist. „Es kann nicht sein, dass ein Bürger seine Rechtstreue nachweisen muss.“ Der Verweis auf Beweislastumkehr etwa bei Schwarzgeld-Verdacht von Clans oder ähnlichem zieht nicht, so der Jurist, weil es in diesen Fällen schon ein „außergewöhnliches Verhalten“ als Anlass gibt, wenn etwa jemand eine Villa mit Bargeld bezahlt. Dabei wird sehr stark zwischen Geldwäsche nach § 261 StGB und der Vermögensabschöpfung unterschieden. Die Herkunft von Geld belegen zu müssen, ist aber etwas anderes, als seine Unschuld für eine Straftat beweisen zu müssen. Dies muss man in einem Rechtsstaat nicht.“
In Berlin gibt es eine Beweislastumkehr für Polizisten beim Vorwurf rassistischer Beleidigungen, die im Antidiskriminierungsgesetz festgeschrieben ist, in der Praxis allerdings kaum zum Einsatz kommt, weil viele Beschwerdeführer ihre Identität für eine Klage nicht preisgeben wollen.