Christine Lambrecht will laut Medienberichten zurücktreten. Das ist überfällig – die Pannenministerin hat sich längst selbst unmöglich gemacht. Wer könnte ihr Nachfolgen? Ein Überblick.

Christine Lambrecht will laut Medienberichten zurücktreten. Die BILD berichtet, die Verteidigungsministerin habe die Entscheidung für ihren Exit aus der Politik selbst getroffen – noch Anfang des Monats hatte Olaf Scholz seiner Parteifreundin das Vertrauen ausgesprochen. Doch Lambrechts Rücktritt kommt nicht überraschend. Keine Ministerin, kein Minister leistete sich so viele Fehltritte, Pannen und Peinlichkeiten wie sie. Vom Sylt-Flug mit ihrem Sohn im Bundeswehr-Hubschrauber über den Auftritt mit Stöckelschuhen auf einem Truppenübungsplatz bis zu ihrem peinlichen Silvestervideo sprang Lambrecht von Fettnapf zu Fettnapf. Auch ihre zögerliche Haltung bei Waffenlieferungen an die Ukraine brachte ihr viel Kritik ein: Als Lambrecht nach Kriegsbeginn stolz ihre 5000 Helme anpries, die man den Ukrainern schickte, war der Spott im In- wie im Ausland groß. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki sprach von einem „Witz“. Man könnte noch vieles auflisten: Dass sie während des Ausbruchs des Ukraine-Krieges lieber ins Nagelstudio statt ins Verteidigungsministerium ging, beispielsweise. Die Kritik riss nicht ab – dafür sorgte Lambrecht schon selbst, die streckenweise eher Selbstverteidigungsministerin als Verteidigungsministerin zu sein schien.
Lambrechts Rücktritt ist folgerichtig – und überfällig. Sie werde „eine ganz, ganz bedeutende“ Verteidigungsministerin sein, hatte Scholz bei der Vorstellung seines Kabinetts über Lambrecht gesagt. Nun wird sie die am kürzesten amtierende Verteidigungsministerin der bundesrepublikanischen Geschichte sein. Das hat vor allem mit den politischen Entwicklungen zu tun, die Lambrecht über den Kopf wuchsen. Als die Scholz-Vertraute Ende 2021 ihr Amt antrat, war das Verteidigungsministerium ein ungeliebter, verwaister Posten. Die Bundeswehr sollte in der neuen Ampel-Koalition keine Priorität einnehmen – und irgendjemand musste es machen. Also hievt Scholz seine enge Vertraute auf den Posten. Seit ihrem Amtsantritt wird Lambrecht dann immer wieder nachgesagt, sie fremdele mit der Bundeswehr – Sie zeige schlicht kein Interesse. Als Lambrecht erkennen lässt, dass etwa das Pauken von Dienstgraden für sie keine Priorität habe, wachsen die Zweifel an ihr. Der Umgang mit der Truppe sei herrisch, heißt es. Generale lasse sie auch mal in ihrem Büro stehen, statt ihnen einen Stuhl anzubieten, heißt es.
Das alles wäre in normalen Zeiten bereits ein schlechtes Zeugnis für eine Verteidigungsministerin. In Krisenzeiten, wie wir sie aktuell erleben, macht es Lambrecht jedoch unhaltbar. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine steht Lambrecht plötzlich im Zentrum der vom Bundeskanzler proklamierten „Zeitenwende“ – und ihr Ressort ist Dreh- und Angelpunkt der Debatten. Aus einem Verwaltungsposten wird ein Gestaltungsposten – dafür fehlt Lambrecht am Ende die Kraft, vielleicht auch der Wille.
Eine mögliche Kandidatin für das Ressort wäre Siemtje Möller. Sie gilt als Expertin für Verteidigungsthemen. Derzeit ist sie Staatssekretärin unter Lambrecht und somit die Nummer zwei im Verteidigungsministerium, davor saß sie ein Jahr im Verteidigungsausschuss des Bundestages. Die ehemalige Sprecherin des rechten SPD-Flügels „Seeheimer Kreis“ machte bereits in der Vergangenheit von sich reden, als sie sich im Dezember 2020 für die Beschaffung von bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr aussprach – damals eine ziemliche Paria-Position in der SPD.
Eine mögliche Kandidatin wäre aber auch die Wehrbeauftragte Eva Högl. Högl ist studierte Juristin und war von 2013 bis 2020 stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion. Berührungspunkte hatte sie mit der Bundeswehr nie, bis sie 2020 zur Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages gewählt wurde. Das war ein kleiner Polit-Skandal: Ihr Amtsvorgänger Hans-Peter Bartels, der das Amt eigentlich weiter ausüben wollte, kritisierte die Wahl Högls scharf. Der SPD-Politiker Johannes Kahrs, der selbst Ambitionen auf den Posten hatte, zog sich wegen ihrer Wahl sogar ganz aus der Politik zurück. Doch im Amt der Wehrbeauftragten machte sich die Parteilinke dann gut – mittlerweile genießt sie den Respekt der Soldaten, deren Interessen Sie vertritt. Sie hat sich eingearbeitet Ob sie in Talkshows auftritt und die Ausstattung der Bundeswehr in authentischer Empörung als „Skandal“ anprangert oder zu Weihnachten literweise Glühwein an unsere Soldaten in Litauen schicken lässt – die Truppe hat das Gefühl, dass Högl sich für sie einsetzt und zu den Soldaten steht.
Davon ausgehend, dass Olaf Scholz bei der Auswahl der Lambrecht-Nachfolge die Geschlechterparität im Kabinett wahren will, sind diese beiden Frauen die wahrscheinlichsten Nachfolgerinnen Lambrechts im Amt der Verteidigungsministerin. Auch Parteichef Lars Klingbeil könnte Ambitionen auf den Posten haben – sein Vater war Soldat, er selbst kommt aus einem Bundeswehr-affinen Wahlkreis. Dass seine Co-Chefin Saskia Esken vor einem Sprung ins Kabinett stehe, wurde mit Blick auf Nancy Faesers möglichen Abgang nach Hessen zuletzt in den Medien diskutiert – nun könnte sie vielleicht schon Lambrecht nachfolgen. Für die Truppe wäre eine weitere fachfremde Ministerin allerdings eine schlechte Nachricht.