Analyse von Max Roland
- Bei der Wiederholungswahl im Februar errang die CDU einen historischen Wahlsieg – Berlin hatte den Wechsel gewählt.
- Der Koalitionsvertrag enttäuscht diese Hoffnungen nun: Ein wortwörtlich roter Faden zieht sich durch die neue GroKo, in der politisch vor allem die SPD den Ton angibt
- Mit ihrer Zustimmung zu allerlei Woke-Wahnsinn enttäuscht Kai Wegner seine Wähler – und legt vermutlich den Grundstein für seine eigene Niederlage bei der nächsten Wahl
Ende Februar haben die Berliner den Wechsel gewählt. Unter dem Eindruck der Krawalle der Silvesternacht, dem Stillstand und der Dysfunktionalität der Stadt trug die CDU in der sonst so links dominierten Hauptstadt einen historischen Wahlsieg davon. Es war ein klares Votum für eine Partei, die einen Wahlkampf mit klarer Kante führte. Diese klare Kante brachte Spitzenkandidat Kai Wegner dahin, wo er jetzt steht: An die Schwelle zum Roten Rathaus.
Um den Schritt über diese Schwelle zu gehen, brauchte es allerdings einen Partner. Dafür kam eigentlich nur die SPD in Frage: Die Partei von Noch-Bürgermeisterin und Wahlverliererin Giffey brauchte es, um überhaupt eine CDU-geführte Koalition bilden zu können. Doch die zierte sich. Eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün war nach wie vor, wenn auch geschrumpft, da – und viele in der SPD wollten nicht so recht mit einer CDU, die sie im Wahlkampf noch als rückschrittlich und rassistisch verunglimpft hatten. Der Weg zur Wegner-GroKo, so schien es, würde ein langer sein.
Queer-Beauftrage, Rassismus-Kommission, viel linke Ideologie: Der Woke-Wahnsinn des Koalitionsvertrages
Nach der Vorstellung des Koalitionsvertrages ist klar: Die CDU hat alles versucht, um diesen Weg zu verkürzen. Vieles mussten die erfolgreichen Christdemokraten den geschlagenen Sozialdemokraten dafür schenken. Der Koalitionsvertrag liest sich streckenweise, als hätte die SPD die Wahl überhaupt nicht verloren. Durch den gesamten Vertrag zieht sich ein im wahrsten Sinne roter Faden: der Kotau der CDU vor einer Partei, die eigentlich nicht so recht mit ihr regieren wollte. Das beginnt bei der Terminologie: Der tief linksideologische Begriff des „Intersektionalismus“ ist fest im Koalitionsvertrag verankert. Ob bei der Frauenförderung oder bei der finanziellen Unterstützung von „LSBTIQ*-Communities“ – immer wieder liest man im Vertragstext den Begriff „Intersektionalismus“, der für ein zutiefst wokes und marxistisches Weltbild steht. Dass die CDU ein derart radikales Dogma in die Regierungsarbeit einfließen lässt, dürfte den vielen Berlinern, die ihre Stimme für Kai Wegner auch und vor allem als Stimme gegen all diesen Wahnsinn verstanden haben, überhaupt nicht schmecken.
Die SPD und insbesondere ihr linker Flügel hingegen dürften frohlocken – denn die Liste an identitätspolitischen, linken Erfolgen ist lang. Die neue GroKo will sich für ein „modernes Selbstbestimmungsrecht“ einsetzen: Gemeint ist die Unterstützung des „Selbstbestimmungsgesetzes“, nachdem jeder Mensch einmal im Jahr sein Geschlecht ohne weiteres rechtlich ändern kann. Ab sofort will man vor allem die medizinischen Bedürfnisse von Männern, die Frauen sein wollen – „trans*Frauen“ – politisch berücksichtigen. Auf der Suche nach angeblich „strukturellem Rassismus“ will die Koalition eine Enquete-Kommission gegen Rassismus und Diskriminierung einsetzen – ein wokes Such- und Jagdkommando, dass in den meisten Fällen vor allem Phantome jagt. Echte und drängende Probleme hingegen findet man „unter ferner liefen“: In Berlin, wo linksradikale Terroristen und Extremisten ganze Straßenzüge prägen, soll der Rechtsextremismus „die größte Gefahr für die Demokratie“ sein – diesem Mantra schließt sich die CDU vorbehaltlos an. Der grassierende Linksextremismus ist neben dem Phänomen Rechtsextremismus lediglich „auch“ eine „Herausforderung“.
Grünen-Sprech an allen Ecken
„Die Koalition steht für einen diskriminierungssensiblen Sprachgebrauch bei der Polizei Berlin“. Am Sprachleitfaden für die Beamten der Polizei wolle man festhalten. Unter einem Bürgermeister, der mit dem kompromisslosen Ansprechen von Problemen mit migrantischem Milieus (Stichwort Vornamenabfrage) die Wahl gewann, soll die Polizei weiter nur schwammig und unpräzise über genau bekannte Problemgruppen sprechen. Auch die ewige Suche nach Rassismus in der Polizei wird fortgesetzt und das umstrittene „Landesantidiskriminierungsgesetz“, welches Beamte unter Generalverdacht stellt und eine unrechtsstaatliche Beweislastumkehr etabliert, bleibt erhalten. „Hasskriminalität“ aufgrund von Frauenfeindlichkeit – der Koalitionsvertrag spricht auch von „Antifeminismus“ – soll demnächst in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik erscheinen: Das ist purer Grünen-Sprech im Koalitionsvertrag.
Apropos Grünen-Sprach: Die Koalition bekennt sich zu Berlin als „Regenbogenhauptstadt“. „Queeres Leben“ soll sichtbarer gemacht werden, auch mit viel öffentlichem Geld. Das Land Berlin soll die Hauptstadt der „Queer-Beauftragten“ werden: Nicht nur erhält das Land einen solchen Ideologie-Beauftragten, auch in jedem einzelnen Bezirk soll so eine Stelle geschaffen werden. Weiterhin setzt sich die CDU-geführte Landesregierung in den „Sicherheitsbehörden“ und in allen „pädagogischen Berufen“ für „Diversity- und Queerkompetenzen“ ein. Fachstellen für „intersektionale Bildung“ sollen bleiben, die Verwaltung sich „konsequent der Vielfalt öffnen“.
Die CDU verrät ihre Wähler – und dürfte den Grundstein für die nächste Wahlniederlage legen
Zwar kann die CDU auch einige Erfolge für sich verbuchen. Bekenntnis zu konsequenteren Abschiebungen, Elektroschocker für Polizeibeamte, ein Bekenntnis zur Stärkung von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei – nicht alles ist schlecht. Aber insbesondere auf gesellschaftspolitischer Ebene ist es ein linker Durchmarsch. Dieser Koalitionsvertrag wäre in vielen Facetten auch bei der Grünen Basis in Friedrichshain-Kreuzberg zustimmungsfähig – in vielerlei Hinsicht ist es die Fortsetzung von Rot-Rot-Grüner Politik unter anderem Namen. Kai Wegner ist als Tiger gesprungen – und landet jetzt als Bettvorleger.
Der historische Sieg, den sich die CDU erkämpft hat, wird so zum Pyrrhussieg – auch, weil die neue Regierung sich für eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre ausspricht, von der vor allem die linken Parteien profitieren dürften. So schreibt man die wahrscheinliche Neuauflage von Rot-Rot-Grün in den Koalitionsvertrag. Das Argument, man habe mit Blick auf andere Mehrheiten im Abgeordnetenhaus schlimmeres verhindert, reicht nicht aus, um den Kotau vor der SPD zu kaschieren. Queer-Beauftragte, ideologische Gesetze und Woke-Wahnsinn in jedem Bezirk und jeder Behörde: Dafür haben die Berliner nicht CDU gewählt. Ob sie diese CDU nach einer solchen Enttäuschung erneut so stark unterstützen würden, darf bezweifelt werden.