Während die Klimakleber die Straßen blockieren und die Leute zur vermeintlichen Weltrettung in die öffentlichen Verkehrsmittel treiben wollen, holt sich in der S5 ein Obdachloser einen runter, an der S-Bahn Station Warschauerstraße bedroht ein Betrunkener Frauen. Ihr wollt das Auto abschaffen? Macht erstmal die S-Bahn sicher!
Sie kleben sich selbstgerecht auf die Straße und verstoßen fanatisch gegen Gesetze: Die Klimakleber der Letzten Generation tyrannisieren diese Tage wieder unschuldige Bürger, die einfach nur zur Arbeit, ihre Kinder zur Schule bringen oder sich schlicht frei bewegen wollen. Ihrer Meinung nach leisten sie damit einen wichtigen Dienst, denn sie bilden sich ein, die Menschen würden dank ihnen zur Vernunft kommen und vom Auto weg, hin zu klimafreundlicheren Fortbewegungsmitteln umsteigen.
Und doch stehen vor den Blockaden hunderte Autos im Stau. Hunderte nehmen lieber in Kauf, stundenlang auf der Stelle zu stehen, statt auch nur einen Fuß in eine S-Bahn zu setzen. Warum? Wer sich diese Frage stellt, der findet die Antwort ganz einfach, indem er mal einen Fuß in einer Berliner S-Bahn setzt. Das möchte ich aber keinem unnötigerweise zumuten. Ich möchte Sie deshalb mitnehmen, durch meinen Alltag – mit der S-Bahn durch Berlin.
Eine Fahrt mit der S-Bahn ist ein Spießroutenlauf
Es ist ein sonniger Montagmittag und ich muss zur Uni – denn genauso wie ich Freitags nicht die Schule geschwänzt habe, hocke ich jetzt lieber im Vorlesungsraum und gestalte meine Zukunft selbst, statt auf einer Straße zu kleben und meiner vermeintlich gestohlenen Zukunft hinterher zu heulen. Um mir eine bessere Perspektive aufzubauen, als beruflich anderen Leuten auf die Nerven zu gehen, muss ich aber irgendwie zur Uni kommen. Und da bleibt mir leider nur die S-Bahn – aus unterschiedlichen Gründen, aber ganz sicher nicht aus Überzeugung. Schon die sauerstoffarme Luft, die einem entgegen schlägt, wenn die Türen sich vor einem öffnen, ist zum abgewöhnen.
Immerhin habe ich an diesem Montag Glück, denn die S-Bahn ist recht spärlich gefüllt und ich kann mich direkt über einen Sitzplatz freuen. Zunächst – meine Freude sollte nicht lange anhalten. Nach einiger Zeit schaue ich von meinem Buch auf und sehe mich um. Da sitzt eine ältere Dame vor mir, die verträumt aus dem Fenster schaut, in einer anderen Reihe sitzt ein junger Mann mit Hund, im Gang turnt ein kleines Mädchen – ja das Treiben hier könnte so ein schöner Anblick sein, doch dann fällt mein Blick auf einen Mann, der mir bekannt vorkommt. Ich stehe sofort auf und laufe an das andere Ende des Wagens. Lieber gebe ich meinen Sitzplatz auf, als auch nur in der Nähe dieses Mannes zu sitzen.
Er trägt zerrissene braune Kleidung, so wie immer. Der Gestank, der von ihm ausgeht, die Art wie er seine Hände unentwegt aneinander reibt, dieser irre Blick – als ich ihn das erste Mal kennenlernen musste, war die erste Assoziation, die mir in den Kopf kam: der Steinzeitmensch da drüben will mich auffressen. Damals war dieser Anblick alleine noch kein Grund für mich gewesen, meinen Platz aufzugeben. An irre Psychotiker, also psychisch schwerst gestörte Menschen, muss man sich leider gewöhnen, wenn man mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren will. Doch daraus habe ich diesmal schmerzlich gelernt.
Gewalt, Belästigung und jede Menge Elend
Das letzte Mal, als ich ihn sah, hat er nämlich irgendwann aufgehört, seine Hände zu reiben – nur um sie sich daraufhin in die Hose zu stecken und zu masturbieren. Dabei hatte er immernoch diesen irren Blick und nahm zu jeder Frau Blickkontakt auf, die in seine Richtung sah um zu schauen wo diese seltsamen Tier-Geräusche herkamen. Es war widerlich und verstörend. Aber an Ekel nicht unübertreffbar. In S-Bahnen bekommt man viele scheußliche Dinge zu sehen: Obdachlose, die ihre riesigen klaffenden und eiternden Wunden auslüften lassen zum Beispiel. Die Stadt Berlin will nichts gegen diese Zeitgenossen unternehmen, weil das ja arme Menschen sind, die man schützen muss. Deshalb werden sie uns Bürgern vorgesetzt und wir müssen dann zusehen, wie wir damit umgehen – und sie zugrunde.
Meine Toleranz für Psychotiker, Junkies und Obdachlose ist inzwischen im Keller. Dann können sie eben nichts dafür, sind krank und brauchen Hilfe – aber ich kann auch nichts dafür. Ich will einfach nur jeden Tag sicher zur Uni kommen. Es ist ja nicht so, als würden wir nicht in einem Sozialstaat leben, der absolut jeden auffängt. So viele Einrichtungen, viele davon von unseren Sozialabgaben bezahlt und wofür?
Dafür, dass ich mir anschauen darf, wie sich irgendein Idiot vor meinen Augen einen runterholt. Damit ich zu riechen bekomme, welcher Gestank von einem Menschen mit absterbendem Gliedmaßen ausströmt. Damit ich spüren , welche Todesangst man hat, wenn ein Besoffener mit Glasflasche auf einen losgeht, nur um im letzten Moment abzulassen – und er sich dann auch noch köstlich darüber amüsiert, wie erschrocken ich ausgesehen habe.
Imaginärer Amoklauf am S-Bahnhof
Vor ein paar Wochen hat ein Irrer mit einem imaginären Maschinengewähr auf mich geschossen. Ich dachte zuerst, das sei ein Spaß gewesen, dass er zu der Gruppe Jugendlicher gehört, die gerade vorbei liefen. Doch als er dann von einem Mann angerempelt wurde, war an seiner Körpersprache klar zu erkennen, dass er die Realität gar nicht wahr nahm. Er stand da bestimmt eine halbe Stunde an der S-Bahn Station und zielte auf jeden, der an ihm vorbei ging. Einem Mann hielt er die Finger direkt ins Gesicht. Das klingt auf dem Papier vielleicht ulkig, aber das war es ganz und gar nicht. Er war vermummt und trug einen riesigen Rucksack bei sich und seinen Augen sah man, dass er Spaß hatte. Dieser S-Bahnhof war sein Egoshooterspiel und er war der Held. Von ihm ging eine bedrohliche Aura aus und mein Bauchgefühl sagte mir: Bring dich in Sicherheit!
Was würde er tun, wenn er an eine echte Waffe kommt? In Berlin sind die gar nicht so schwer zu besorgen. Oder nur ein scharfes Messer? Ich beobachtete ihn lange hinter der Scheibe eines Supermarkts. Ich konnte mich nicht so ganz loslösen, denn diese Fragen gingen mir durch den Kopf und ich wusste nicht ganz, was ich damit anfangen soll. Ruft man da jetzt die Polizei? Was, wenn der nächste Woche wirklich auf Leute losgeht und man es hätte verhindern können? Nach einiger Zeit ließ ich davon ab. Die Polizei kommt ja hier nicht mal, wenn wirklich was los ist.
Und das ist das, was mich so wütend macht: Man wird mit solchen Situationen allein gelassen. Wenn in den S- Bahnen Kontrollen sind, dann ist es immer ganz wichtig zu überprüfen, dass Oma Gerda auch sicher das richtige Ticket gezogen hat. Aber wenn solche Gestalten dort quer über vier Sitzplätze hängen, schaut jeder weg. Selbst die, die in solchen Situationen verantwortlich wären.
Die Gefahr ist allen egal – der Letzten Generation besonders
Diese Zustände sind gerade in Berlin nicht neu. Es braucht nicht mich, eine Zugezogene, die erst seit drei Jahren hier lebt, um sowas zum ersten Mal zu berichten. Und mir kann auch niemand erzählen, dass nicht jeder einzige Politiker in unserem Parlament weiß, was in ihrer Stadt los ist. Trotzdem spricht es keiner an. Niemand macht es sich zur Aufgabe, die Straßen wieder sicher zu machen. Dafür zu sorgen, dass junge Frauen wie ich ohne Angst vor die Tür gehen können.
All das ist den „Aktivisten“ der Letzten Generation egal – sie versuchen die Menschen in die Hölle des öffentlichen Nahverkehrs zu zwingen, in dem sie sich selbstgefällig auf die Straße kleben. Bei ihnen, in der Einfamilienhaussiedlung in Dahlem, gibt es sowas nicht.