Während Corona wurde den Schülern der Spaß an der Schule geraubt. Der Austausch mit Klassenkameraden ging völlig verloren, stattdessen war man verdammt in seinen eigenen vier Wänden auf einen Bildschirm zu starren. Unmotivierte, psychisch angeschlagene Schüler sind keine Überraschung, sondern das Ergebnis unserer Politik. Unser Autor Jerome berichtet aus Sicht eines Corona-Schülers:

Ich weiß das mag sich für einen 18-Jährigen komisch anhören, aber ich bin eigentlich immer sehr gerne zur Schule gegangen. Nicht weil ich so scharf auf Algebra und Englischtests war, sondern wegen meinen Freunden, des sozialen Miteinanders und der Abwechslung – immerhin hat sich jeden Tag ein anderer eine kleine Dummheit ausgedacht. Wenn ich die Pausen mit meinen Kumpels hatte, dann fiel es mir nicht mal schwer die Motivation aufzubringen, zu lernen und mich intensiver mit irgendwelchen Themen auseinander zu setzen. Doch das änderte sich 2020 schlagartig.
Mit Corona war auf einmal alles anders. Die Schule war für mich kein Ort der Freude mehr, sondern der Mühe, der Anstrengung und manchmal sogar der Qual. Mich wundert es deshalb nicht, dass immer mehr Schüler eine extra Runde auf der Schulbank drehen. Im Gegenteil: Für mich sind die 67 Prozent mehr Sitzenbleiber nichts anderes, als das Ergebnis einer sozial-schädlichen Schulschließungs-Orgie – unter der wir alle gelitten haben.
Im Schlafanzug vor dem Schul-Laptop
„Warum tue ich mir das überhaupt noch an?“ – das war die Frage, die ich mir in der Corona-Zeit so oft gestellt habe, wie keine andere. Als unsere Klasse plötzlich in A- und B-Gruppen aufgeteilt wurde, als ich wochenlang ganz allein zuhause saß und als ich zwei Bänke von meinem nächsten – mit Teststäbchen maltretierten und trotzdem potentiell verseuchten – Mitschüler entfernt, mit Maske und offenen Fenster im Klassenraum sitzen musste – und das übrigens auch bei Minusgraden.
Die schlimmste Zeit war die, als ich in meinem Zimmer saß und mit mir kämpfte, ob ich meinen Laptop nun tatsächlich aufklappen soll, um mich in das x-te Zoom-Meeting einzuwählen oder ob ich das blöde Ding einfach zu lasse und mich wieder ins Bett lege – den Schlafanzug konnte ich ja eh anlassen. Online-Unterricht um acht Uhr, bedeutet bei mir und meinen Freunden: im Bett bleiben. Online-Unterricht um 11 Uhr, dass man vor 10:45 Uhr nicht wach war. Ich kenne Leute, die in der ganzen Zeit überhaupt nicht mehr aufstanden – warum auch? Wir mussten uns nichts anziehen, mit niemandem reden, nichts leisten.
Und so verflog Tag für Tag die Motivation sich auch nur ein Fünkchen im Unterricht – oder besser gesagt: dem was uns als Unterricht verkauft wurde – anzustrengen. Woher hätten wir die auch nehmen sollen? Aus unseren Noten, die wir entweder über herzlose Sammel-E-Mails oder gar nicht erhielten? Aus dem Gespräch mit meinen Freunden, in denen wir uns gemeinsam über die unfaire Bewertung aufregten? Über Whatsapp macht das keine Freude.
Die komische Person im Laptop
Im normalen Schulalltag, den ich zum Glück noch bis zur zehnten Klasse erleben durfte, hätte ich jetzt vielleicht noch gesagt: Von unserem Lehrer. Vielleicht kennen Sie das noch – es gab immer mindestens einen gewitzten Lehrer, der es tatsächlich schaffte selbst Physik interessant zu machen. Wenn dein Lehrer nur ein kleines Fenster in deinem Video-Meeting ist, lernt man von ihm aber nichts – höchstens, wie man maximal konzentriert aussieht, während man eigentlich an seinem Handy spielt.
Und jetzt sagen Sie mir: Wie will man bei all dem gute Ergebnisse erwarten? Corona hat uns jede Selbstmotivation geraubt. Alles was wir noch machten, war stupides Abarbeiten – oder halt gar nicht arbeiten. Ein Mitschüler von mir, der vor Corona leidenschaftlich und auch außerhalb der Schule Spanisch gelernt hat und ein echtes Talent für Sprachen hatte, kam nach dem Online-Unterricht als anderer Mensch zurück in die Schule. Er war schmallippig, schweigsam und ging uns nie wieder mit seinem „Ola Amigos“ auf die Nerven. Gleiches gilt für Interessierte in Geschichte, Politik und anderen Gesellschaftswissenschaften. Mit dem Home-Schooling starb die Debatte im Klassenraum – keiner hatte große Freude daran, mit offenen Fenster und Maske zu diskutieren.
Hausaufgaben nur im Ringtausch
Mit der Zeit wurden ich und meine Klassenkameraden richtig trotzig gegen den Rest Schule, den wir noch hatten. Um Abgabefristen einzuhalten, wurden Hausaufgaben im Tauschhandel gemacht. Mit dem Erfolgsrezept musste ich von zehn abgegebenen Hausaufgaben nur zwei selber machen. Ging das nicht, schrieben wir Wikipedia-Artikel um und ließen Englisch-Texte bei Google-Übersetzer durchlaufen. Es gab schließlich keine Kontrollinstanz mehr, Lehrer kontrollierten Hausaufgaben nur selten, wenn dann oberflächlich und knapp.
Irgendwann machten wir unsere Aufgaben gar nicht mehr – es herrschte regelrechte Verdrossenheit. Wenn uns die Politik schon ihre verrückten Corona-Regeln aufzwingt, wollten wir wohl wenigstens eine Rebellion gegen die Aufgaben des Lehrers starten – das letzte bisschen Widerstand gegen das System, das unser Leben trostlos machte.
Mehr Wiederholer und Durchfaller? Eure Schuld!
Einige meiner Mitschüler sind in dieser Einstellung hängen geblieben. Und ganz ehrlich: Auch mir fiel es verdammt schwer, die gewöhnte Verdrossenheit und Lustlosigkeit wieder los zu werden. Es war schwer sich wieder für Schulstoff zu begeistern und die Zähne zusammenzubeißen, wenn es in die Klausurenphase ging. Ohne meine engagierten Lehrer, meine Familie und ein paar gute Freunde – also ohne ein gesundes soziales Umfeld -, hätte es gut sein können, dass ich selbst Probleme bekommen hätte. Psychische Probleme und Lern-Probleme, die ich an meinen Mitschülern beobachten konnte.
Es ist kein Wunder, keine Überraschung, dass so viele Schüler dieses Jahr wiederholen oder sitzen bleiben. Es ist das Ergebnis von zwei Jahren Corona-Politik. Zwei erdrückende Jahre, in denen man seine Freunde kaum sah, nichts erlebte. In denen es nur noch eins gab: Zuhause sitzen, Hygiene-Regeln beachten und auf den Laptop starren.