
Kommentar von Max Roland
Der Sachverständigenrat der Bundesregierung diagnostiziert eine langanhaltende Krise – und will dieser mit Steuererhöhungen begegnen. Anstatt kluge Wirtschaftspolitik anzuregen, redet das Gremium Rot-Grün nach dem Mund. Ein fataler Fehler.
Damit hätte wohl keiner gerechnet. Der Sachverständigenrat der Bundesregierung, die sogenannten „Wirtschaftsweisen“ veröffentlichte heute sein Jahresgutachten zur wirtschaftlichen Entwicklung. Er stellt treffend fest, dass das Bruttoinlandsprodukt sinken und die Inflation über die nächsten Jahre hoch bleiben wird – doch die Antworten, die die Damen und Herren Wirtschaftsweisen finden, sind bemerkenswert.
Denn das Gremium schlägt vor, der beispiellosen Wirtschaftskrise mit höheren Steuern zu begegnen. „Solidarische Bewältigung“ nennt man das. Mehr schulden solle der Staat nicht aufnehmen, kritisieren die Wirtschaftsweisen. Auch die bisherigen Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung kritisiert man – diese seien zu breit gefächert. Stattdessen will man Geringverdiener gezielt unterstützen. Dies soll nicht durch Schulden finanziert werden, sondern durch Steuererhöhungen. Der Spitzensteuersatz solle angehoben, ein „Energie-Soli“ eingeführt werden, fordern die Wirtschaftsweisen.
Ein Vorschlag, der Kopfschütteln auslöst. Politiker und Experten wie Ifo-Präsident Clemens Fuest kritisieren die Idee. Und das zurecht. Einer Wirtschaftskrise mit Steuererhöhungen für Menschen und Unternehmen zu begegnen – das ist eine Idee, die so absurd ist, dass sie zurecht noch nie umgesetzt wurde. Fiel den Damen und Herren, die „Wirtschaftsweise“ genannt werden, wirklich nichts Besseres ein, als die ohnehin rekordhohe Steuerlast von Leistungsträgern und Unternehmen in höhen zu treiben, die fast einer Enteignung gleichkommen? Immerhin müssen Personengesellschaften ihre Gewinne nach dem Einkommenssteuersatz versteuern. Die Wirtschaftsweisen fordern allen ernstes, nicht nur mehr als vier Millionen Steuerzahler, sondern auch über 400.000 Unternehmen in Deutschland inmitten der Krise deutlich stärker zu belasten.
Einst waren die „Wirtschaftsweisen“ ein unabhängiges Gremium, welches die Politik mit ökonomischem Sachverstand begleiten und beraten sollte. Das heutige Gutachten zeigt, dass diese Zeiten vorbei sind. Die Wirtschaftsweisen argumentieren nicht mehr ordnungspolitisch – und entkernen sich als Gremium damit selbst. Das ist im einst ordoliberalen Deutschland ein Tabubruch, der auch das einst hochangesehene Gremium delegitimiert. Anstatt etwa die überhohe Staatsausgabenquote zu senken, werden Leistungsträger und Unternehmen geschröpft. Das ist nicht ökonomisch ratsam, sondern vor allem das Nachplappern plumper, linker Glaubenssätze: Nicht ohne Grund jubelt die linke SPD-Vorsitzende Saskia Esken, „dass die Wirtschaftsweisen in ihrem Jahresgutachten Forderungen der SPD aufgreifen“. Auch die Grünen zeigen sich begeistert. Doch Rot-Grün nach dem Mund zu reden, wird zur wirtschaftlichen Erholung des Landes nicht beitragen – im Gegenteil.
Denn wie fatal die Idee einer „zeitlich befristeten“ Spitzensteuer-Erhöhung oder eines „Energie-Solis“ ist, weiß jeder, der die steuerlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte in diesem Land mitverfolgt hat. Zur Erinnerung: Der ursprüngliche „Solidaritätszuschlag“ zur Finanzierung der deutschen Einheit wurde auf ein Jahr eingeführt. Es gibt ihn immer noch, auf den Tag genau 33 Jahre nach dem Mauerfall. Jetzt soll es sogar einen kleinen Bruder für die Sondersteuer geben – der dürfte sich, wenn man die deutsche Politik kennt, genauso lange halten wie der Original-Soli. „Ein einmal eingeführter Einkommensteuerzuschlag wird nicht so schnell wieder abgeschafft, wie das Beispiel des Solidaritätszuschlags zeigt“, sagt auch ifo-Präsident Clemens Fuest, einer der echten „Wirtschaftsweisen“ in diesem Land. Denn eher friert die Hölle zu, als dass der deutsche Staat eine Steuer wieder abschafft.
In der Krise liefern die „Wirtschaftsweisen“ nicht etwa weise wirtschaftliche Vorschläge, sondern Rot-Grüne Umverteilungs-Phantasien, die am Ende niemandem helfen. Denn in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen und 200 Milliarden Sonderschulden mangelt es dem Staat wahrlich nicht an Geld. Die Vorschläge der Wirtschaftsweisen befriedigen nur die kruden, linken Vorstellungen von „Solidarität“ und „Gerechtigkeit“, die in Wahrheit unsolidarisch und ungerecht sind. Helfen tun sie damit niemandem – keinem Geringverdiener und schon gar nicht der Wirtschaft. Ein Gremium das im Schröpfen seiner Geldgeber die vorderste Verteidigungslinie des Staates in Krisenzeiten sieht, ist vieles – aber nicht Wirtschaftsweise.