Bei Handwerksbetrieben, die nur über wenig oder gar keine Rücklagen verfügen, könnte in Hannover bald das Licht ausgehen – bei einigen sogar für immer. Der kommunale Energieversorger „Enercity AG” verlangt von Handwerksbetrieben in Vorkasse zu gehen – die Unternehmen müssen bis zu 50 Prozent des Jahresverbrauchs vorstrecken, die Anzahlung ist sofort fällig. Für viele Unternehmen geht es um Beträge von weit über 100.000 Euro. Summen, die ihren finanziellen Ruin bedeuten könnten.
Die Enercity AG, die zu 75,09 Prozent der Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft Hannover mbH (also der Stadt und der Region Hannover) gehört und damit weitgehend in staatlicher Hand liegt, begründet die hohen Anzahlungen wie folgt: Sie müsste „enorme Geldsummen zur Risikoabsicherung vorhalten und bis zur Belieferung binden”, so das Unternehmen in einer Stellungnahme. Welche der Kunden diese Risikoabsicherung mit ihrer Vorauszahlung stemmen sollen, „hängt vom Beschaffungsmodell ab”.
WAS DIE UNTERNEHMEN TUN KÖNNEN: Die Betriebe haben laut Enercity noch eine Wahl: Entweder sie kriegen einen Festpreis und müssen damit sofort die Anzahlung leisten oder sie nehmen einen sogenannten „Tranchenvertrag”, bei dem der Abschlag bei Order der einzelnen Tranchen fällig wird – das bedeutet: Es gibt mehrere Lieferzeiträume, statt eines Jahresbetrags. Zu jedem neuen Abschnitt, werden die Strompreise neu kalkuliert. Ein wahrscheinlich eher unattraktives Modell, wenn man sich die Entwicklung des Strompreises anschaut.
KEINE PLANUNG MEHR MÖGLICH: Die einzige Vertragsart, bei der keine Anzahlung zu leisten ist, sind die sogenannten „Spotmarktverträge”. Bei diesem Vertragsmodell wird Strom oder Gas für die einzelnen Stunden jeweils erst am Vortag der Belieferung eingekauft. Der Gesamtenergiepreis bildet sich damit erst während des Lieferzeitraums und umfasst besonders günstige, genau wie besonders teure Schwankungen des Strom- bzw. Gaspreises. Ein Unternehmen geht also ein enormes Risiko ein und hat keinerlei Planungssicherheit. Der Spotmarktpreis ist im vergangenen Jahr etwa um über 400 Prozent gestiegen.
Der Unternehmer Hermann Strathmann hat aus diesem Grund beschlossen in Vorkasse zu gehen – er wollte kalkulieren können, berichtet handwerk.com. „Das Risiko weiterer Preiserhöhungen wollte ich nicht eingehen”, so Strathmann. Deshalb wählte er die Option Festpreis und schloss mit der Enercity AG einen Vertrag mit zweijähriger Laufzeit ab. Für 300.000 Euro pro Jahr – dem Dreifachen, seiner bisherigen Kosten. Dafür musste er eine sofortige Anzahlung von 150.000 Euro leisten. Geld, das Herr Strathmann eigentlich in eine neue Maschine für seine Firma, die UHE Feinmechanik GmbH, investieren wollte.
Doch immerhin war er überhaupt in der Lage den Betrag aufzubringen und so die Energieversorgung der 1932 von Erich Uhe gegründeten Firma für die nächsten zwei Jahre zu sichern. Ohne Strom, wäre der 36 Mann starke Betrieb aus der Metallbearbeitung am Ende.
Er macht sich große Sorgen: „Was machen andere Handwerksunternehmen, die keine Rücklagen haben?“. Und angesichts der aktuellen Krise, der ohnehin schon enorm hohen Strom- und Gaskosten sowie der Inflation, sind das mit Sicherheit keine Einzelfälle, sondern die überwiegende Mehrheit der Handwerksbetriebe.