Auf dem wenig beachteten „Digitalgipfel“ der Bundesregierung schwärmte Robert Habeck von orwellschen Technologien wie Iris-Scans zum Bezahlen und Gesichtserkennung im Supermarkt. Die Grünen geben immer vor, Bürgerrechtspartei zu sein – wie passt das zusammen?
„Daten – Gemeinsam digitale Werte schöpfen“ lautete das Motto des Digitalgipfels der Bundesregierung. Ein passender Titel zum Thema: Daten sind einer der wertvollsten Rohstoffe des 21. Jahrhunderts, gehandelt auf einem Markt, der längst 200 Milliarden Dollar schwer ist. Ein Thema, dem sich die Digitalpartei FDP natürlich gerne annimmt.
Aber: Eigentlich ist die FDP aber auch eine Datenschutzpartei. Eigentlich. Denn der Freie Demokrat Volker Wissing, Digitalminister, schlug auf dem Digitalgipfel plötzlich ungewohnte Töne an: „Wir wollen, dass deutlich mehr Daten bereitgestellt und auch genutzt werden“, betonte der Minister. Dafür seien „Mut und Offenheit“ erforderlich. Vom Schutz der Privatsphäre war keine Rede – ausgerechnet die FDP, die sich jahrelang als Datenschutzpartei inszenierte, lässt das Recht an den eigenen Daten im Digitalzeitalter plötzlich scheinbar vollkommen kalt.
Auch Wissings Kabinettskollege Robert Habeck (Grüne) war Gast auf dem Gipfel – und schwärmte von orwellschen Technologien. In einem von ihm besuchten Flüchtlingslager in Jordanien hätte er ein Bezahlkonzept entdeckt, dass ihm imponierte: „Die Leute bezahlen mit einem Iris-Scan.“ Über das Auslesen des hochsensiblen biometrischen Merkmals werde einfach abgebucht, „was sie sich genommen haben“. Habeck schwärmte richtig – auch über Tests mit Supermärkten in westlichen Ländern, wo „beim Reingehen eine Face-ID-Scannung“ erfolge. Der Kunde nehme dann Produkte aus Regalen, wobei alles digital erfasst werde. Der Computer rechne die Summe aus und bestelle gleich nach. „Das ist keine abgefahrene Spökenkiekerei“, sagte der Minister, so norddeutsch wie begeistert. Viele aktuellen gesellschaftlichen Probleme und Krisen inklusive Klimawandel und Pandemien könnten und müssten digital beantwortet werden, hob der Grünen-Politiker dann hervor. „Datenschutz ist kein Selbstzweck“, tönte jüngst auch der Grünen-Politiker Janosch Dahmen, bekannt durch seinen kompromisslosen Einsatz für eine Corona-Impfpflicht.
Es ist komplett gegensätzlich zur offiziellen Linie, die die Grünen vorgeben, zu vertreten: „Wir Grüne im Bundestag arbeiten für die Rechte auf Privatheit und Datenschutz. Datenschutz ist nicht Beiwerk sondern Grundrecht und Vertrauensanker“, heißt es auf der Website der grünen Bundestagsfraktion. Und weiter: „Ein flächendeckender Einsatz [von Videoüberwachung und Gesichtserkennung] sind eine Gefahr für die Privatheit im öffentlichen Raum“. Die angebliche Bürgerrechtspartei – oder zumindest einer ihrer führenden Vertreter – vergisst scheinbar alles, was sie zu diesem Thema mal meinte und sagte.