Energie-Experte Vahrenholt erklärt im Interview zur Zerstörung abgeschalteter Atomkraftwerke:
- Es „handelt sich hierbei um Milliardenwerte, die einfach zerstört wurden. Das ist Volksvermögen, das ohne Transparenz kaputt gemacht wurde“
- Union und FDP müssten jetzt die Zerstörung stoppen, fordert Vahrenholt
- Insbesondere südliche Bundesländer wie Bayern bekämen ohne AKW ein „riesiges Problem mit der Stromversorgung“
Von Sebastian Thormann und Max Mannhart.
Nach einem exklusiven Pleiteticker.de-Bericht wurden zwei norddeutsche Kernkraftwerke ohne Rückbaugenehmigung mit Säure zerstört – unter grüner Verantwortung. In grünen Ministeriumskreisen spricht man von einem „Sargnagel“ für die AKW. Den vor kurzem abgeschalteten letzten drei Atomkraftwerken droht nun das Gleiche – das ist der grüne Geheimplan.
Wir haben dazu mit Prof. Dr. Fritz Vahrenholt dazu gesprochen, Chemiker, Energieexperte, ehemaliger Hamburger Umweltsenator und langjähriger Unternehmer in der Windenergie.
Pleiteticker.de: Wir konnten nachweisen, dass in Schleswig-Holstein und Niedersachsen unter grünen Verantwortung die Atomkraftwerke, die 2021 abgeschaltet wurden, mit Säure zerstört wurden. Können Sie das Verfahren erläutern?
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt: Die Begründung dafür ist, dass man die Leitungen von Radioaktivität befreien will. Der größte Radioaktivitäts-Sender ist jedoch der Kern, und im Vergleich dazu geht von diesen Leitungen überhaupt keine Umweltgefahr aus. Man könnte sie einfach liegen lassen. Stattdessen spült man sie bereits jetzt mit Säure, um die Abschaltung unumkehrbar zu machen. Die Leitungen sind danach korrodiert und nicht mehr zu gebrauchen. Das Ziel ist, vollendete Tatsachen zu schaffen. Es ist ein unglaublicher Vorgang. Die Politik in Berlin, insbesondere die FDP, hatte jüngst ja sogar vorgeschlagen, die 2021 abgeschalteten Kraftwerke wieder zu aktivieren. Das war jedoch unmöglich gewesen, da sie bereits zerstört waren.
In der Regel bedarf es einer Rückbaugenehmigung, um Atomkraftwerke zu zerstören. In diesem Fall war diese Genehmigung jedoch noch nicht erteilt. Ist das dann nicht rechtswidrig?
Das grüne Verfahren ist unappetitlich. Normalerweise dauert die Abbaugenehmigung eine Weile, da man erst nachweisen muss, wie das abgebaut wird und ob alles umweltmäßig in Ordnung ist. Man hätte also noch warten können. Die Zerstörung der Kraftwerke bedeutet auch die Zerstörung von Vermögen. Es handelt sich hierbei um Milliardenwerte, die einfach zerstört wurden. Das ist Volksvermögen, das ohne Transparenz kaputt gemacht wurde. Es war eine Diskussion über die Reaktivierung im Gange, aber alle schwiegen darüber.
Kann man also sagen, dass grüne Landespolitiker deutsche Energietechnologie im Milliardenwert heimlich zerstört haben?
Ja, die Grünen haben ohne Öffentlichkeitsbeteiligung vorzeitig Fakten geschaffen. Es begann eine Diskussion über die Kraftwerke, als der Ukraine-Krieg im Februar 2022 begann. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kraftwerke erst sechs Wochen stillgelegt. Die Diskussion begann schon im Januar. Es wurde sich gefragt, was passiert, wenn die Russen in der Ukraine einmarschieren und was mit unserer Gasversorgung passieren würde. Die Strompreise waren bereits 2021 explodiert. Und trotzdem hat man in dieser Zeit heimlich den Stecker gezogen und die Kraftwerke zerstört.
Es wurde auch diskutiert, ob man weitere Kraftwerke in der Reserve halten sollte. Wie kann es sein, dass die Bundesminister der FDP nicht wussten, dass die Kraftwerke bereits zerstört waren und die Grünen es weiter verschwiegen haben?
Das hat jemand still für sich behalten und gedacht, dass die FDP ruhig vor die Wand laufen kann. Aber spätestens dann hätte der Bundesumweltminister sagen müssen: „Übrigens, die Diskussion können wir gleich beenden, denn die Kraftwerke gibt es nicht mehr“. Aber dann wäre damals schon eine Diskussion losgegangen: „Hallo, was macht ihr denn da?“
Und das wollte man nicht. Man wollte sich heimlich aus der Kernenergie verabschieden. Deswegen müssen wir uns jetzt eher um die drei gerade erst vor wenigen Tagen abgeschalteten Kernkraftwerke kümmern, und da geht mein Blick insbesondere nach Bayern. Bayern hat in Zukunft ein riesiges Problem mit der Stromversorgung. Die Leitungen sind nicht gebaut, und der Strom aus dem Norden kann dort nicht hinkommen. Die Stromversorgung der Südländer ist am wackeligsten von allen. Baden-Württemberg muss jetzt schon immer wieder Appelle an die Stromkunden senden, damit sie nicht so viel Strom verbrauchen, wenn kein Wind weht und wenn aus Frankreich nicht genug geliefert werden kann. Insofern kann man doch wohl erwarten, dass jetzt insbesondere MP Söder sein Umweltministerium anweist, eine solche Zerstörungsmaschinerie nicht in Gang zu setzen.
Und bei den beiden anderen Ländern, da wünsche ich mir nicht nur von der Opposition, sondern auch von den Regierungsbeteiligten, das ist in Baden-Württemberg die CDU und in Niedersachsen die SPD, dass sie jetzt darauf drängen müssen, dass hier nicht ebenso Fakten geschaffen werden. Das muss alles sehr transparent und offen diskutiert werden, und das ist eine Aufgabe des Parlaments, die jetzt einzufordern ist. Ich erwarte auch von der FDP und von der CDU in Berlin, dass sie das Thema ansprechen und darauf hinweisen, dass man so nicht einfach mit unserer Stromversorgung umgehen kann.
Um welche Zeitabläufe sprechen wir dann? Wie schnell könnten denn jetzt diese drei Kraftwerke zerstört werden?
Wenn man die Säure in die Leitungen pumpt, ist das in einem Tag passiert. Zack, zack, geht das, dann ist es vorbei. Das ist die sehr aggressive Säure, die die Partikel lösen soll, und deswegen ist der Edelstahl auch hin. Deswegen dürfen sie gar nicht in Versuchung kommen, die Kraftwerke zu zerstören.
Was kann man denn noch tun, um das zu verhindern? Gibt es da auch rechtliche Möglichkeiten für die Politik?
Eigentlich gehören die Werke den Betreibern RWE und EON, und eigentlich müssten sie sich zur Wehr setzen und auf die fehlende Gesamtabrissgenehmigung verweisen. Einer Anordnung zur Säurespülung könnte widersprochen werden mit der Folge langwieriger Verwaltungsgerichtsverfahren.
Die Betreiber könnten sich alsowehren. Ich habe da aber bei RWE wirklich keine Hoffnung mehr: Der Vorstandsvorsitzende ist voll auf grünem Kurs und freut sich sogar, wenn es einen schnellen Tod der Kernkraftwerke gibt. Bei EON sehe ich das anders. Der Vorstandsvorsitzende ist ein sehr kluger und weitsichtiger Mann, Leo Birnbaum. Von dem bräuchten wir ein paar mehr in Deutschland. Er hat um seine Kernkraftwerke und seine Mannschaft gekämpft, aber musste letztendlich aufgeben, weil ihm die Politik eine klare Absage erteilt hatte, und zwar nicht nur in Form des Bundeswirtschaftsministers, sondern auch des Kanzlers.
Vielen Dank!