Die Grünen ernennen einen neuen Beauftragten für ihre AG „Freund*innen des jüdischen Lebens“ – und entscheiden sich ausgerechnet für einen Mann, der in der Vergangenheit für Ableger von Erdoğans AKP und der rechtsextremistischen MHP kandidierte. Er sehe sich „schon als Anhänger der Grauen Wölfe“, bekannte er in der Vergangenheit. Heute sollen das „Jugendsünden“ gewesen sein.

Die Grünen in Frankfurt am Main haben den türkischen Lokalpolitiker Feyyaz Çetiner zu ihrem Koordinator für die Arbeitsgemeinschaft „Freund*innen des jüdischen Lebens“ ernannt. Dessen Vergangenheit sorgt für Aufruhr: Früher war Çetiner Kandidat für deutsche Scheinparteien, die in Wahrheit Erdogan-nah und türkisch-rechtsextrem waren. Der KFZ-Sachverständige kandidierte 2010 für die Kommunale Ausländervertretung (KAV) Frankfurt – den für Ausländer zuständigen Beirat –und wurde als Vertreter der Liste „Multikulturelles Hilfsbereites Publikum“ gewählt. „Multikulturelles Hilfsbereites Publikum“ – der sperrige, unlogische Name macht stutzig. Nicht jedoch, wenn man seine Abkürzung MHP liest. Die MHP ist der politische Arm der rechtsextremen „Grauen Wölfe“ in der Türkei. „In der Namensanspielung der Liste MHP machen sich die ,Grauen Wölfe‘ für die informierte Wählerschaft präsent“, analysierte damals ausgerechnet Nargess Eskandari-Grünberg, die heute Bürgermeisterin in Frankfurt ist – und Mitglied der Partei, die Çentiner jetzt zu ihrem Koordinator für „Freund*innen des jüdischen Lebens“ gemacht hat. Sie weigerte sich jedoch, die Kritik an der MHP-Wahlliste wirklich ernstzunehmen und sagte, dass solange Çetiner sich nicht rassistisch oder antidemokratisch in der Öffentlichkeit äußere, sie auch kein Problem damit habe. Zu seinem Engagement bei den „Grauen Wölfen“ schwieg sie damals beharrlich.
Verteidigt wurden Çentiner und seine „MHP“ im Frankfurter Römer damals übrigens auch von der NPD, die sich mit den türkischen Nationalisten solidarisierte. „Für uns Nationaldemokraten sind türkische und andere ausländische Nationalisten selbstredend kein Problem“, sagte der NPD-Stadtverordnete Jörg Krebs 2011 im Römer.
Çetiner leitete früher auch einen Verein der „Grauen Wölfe“ in Frankfurt. Bis 2010 war der Politiker Chef des „Deutsch-Türkischen Sozial-, Sport- und Kulturvereins“. Diese Tätigkeit bestätigte er 2011 auch gegenüber der Presse. Çetiner sagte 2011, dass er sich schon als Anhänger der „Grauen Wölfe“ sehe – der Name stehe für ihn aber „für Freiheit und Demokratie“. Auch andere Personen aus dem türkisch-rechtsextremen Milieu bestätigten seine Haltung damals. Zur gleichen Zeit kandidierte er auch bei der örtlichen Kommunalwahl auf der Liste der türkisch-nationalistischen Partei „Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit“ (BIG) an, einen Ableger der türkischen AKP von Staatspräsident Erdogan.
Grüne verharmlosen Rechtsextremismus als „Jugendsünden“
Die Grünen Frankfurt verweisen nach pleiteticker-Anfrage auf einer Pressemitteilung mit dem Titel „Antifaschismus heißt Solidarität“: „Es gibt immer öfter Menschen, die ihre Jugendsünden entschieden hinter sich lassen und versuchen, mit ihrem Hintergrundwissen den Kampf gegen Rassismus, Faschismus und Antisemitismus zu unterstützen. So haben wir auch Feyyaz Çetiner kennengelernt und sind sehr froh, jemanden wie ihn mit solch einer klaren Haltung gegen rechte Strukturen und jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in unseren Reihen zu haben.“ Auch Çetiner selbst beschreibt sich eher als Opfer, sagt, junge Menschen mit Migrationsgeschichte seien „leichte Beute“ für solche Organisationen – und scheint sich so von der Verantwortung für seine Vergangenheit lossagen zu wollen.