Schon wieder eine Polit-Posse in Berlin: In der Stadt, in der nichts funktioniert, wird jetzt sogar Politik gegen die Regierende Bürgermeisterin gemacht.

Teile der Berliner Friedrichstraße sind ab Montagvormittag Fußgängerzone. Die dafür offiziell notwendige „Verfügung zur Umwidmung“ ist nach Angaben der Verkehrsverwaltung am Freitag im Amtsblatt veröffentlicht worden und gilt damit ab Montag. Die grüne Senatorin für Umwelt und Mobilität, Bettina Jarasch, hatte am vergangenen Mittwoch offiziell bekannt gegeben, dass ein rund 500 Meter langer Abschnitt in Berlin-Mitte ab Montag dauerhaft für den Pkw-Verkehr gesperrt werden soll.
So setzt sich der ewige Streit um die Berliner Verkehrsader fort: Erst vor wenigen Monaten hatte ein Gericht die Sperrung der Friedrichstraße für Autofahrer gekippt. Eine derartige Straßensperrung durch den Senat sei nur aus Gründen der Sicherheit möglich, diese Voraussetzung läge aber nicht vor, entschied das Verwaltungsgericht Berlin. Nun preschte Jarasch erneut vor – die grüne Spitzenkandidatin dürfte die Sperrung der Friedrichstraße vor allem als Wahlkampfmittel nutzen.
Dazu passt: Ihre Chefin und größte Konkurrentin im Wahlkampf, Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), hatte Jarasch vorher nicht einmal über die Maßnahme informiert. „Diese Aktion ist nicht im Senat abgestimmt. Ich halte diesen Alleingang auch nicht für durchdacht“, teilte Giffey am Mittwoch auf Anfrage dem Tagesspiegel mit. „Ich stehe weiterhin für eine Gesamtlösung für die Mitte der Stadt, die mit den Gewerbetreibenden in der Friedrichstraße und in den umliegenden Straßen erarbeitet und abgestimmt wird.“ In Berlin macht also Bürgermeisterin Jarasch Politik gegen den Willen von Bürgermeisterin Giffey – Wahlkampf eben.
Flashpoint im Kampf um die „Verkehrswende“
Tatsächlich geht es längst nicht mehr um das Projekt einer „Flaniermeile“ auf der Friedrichstraße – das ist offensichtlich bereits gescheitert. Die Umsetzung war dilettantisch, die Deko-Elemente und „Sitzgruppen“ wirken im meist grauen Berlin ohnehin traurig und fehl am Platze, und einen Einkaufsboom erfuhr die Shopping-Meile auch nicht. Längst ist die Friedrichstraße, wo sich einst amerikanische und sowjetische Panzer am „Checkpoint Charlie“ gegenüberstanden, zum Brennpunkt einer neuen ideologischen Auseinandersetzung geworden. Diesmal verteidigt aber nicht der Westen eine freie Stadt, sondern die Grünen den Scherbenhaufen ihrer durchideologisierten „Verkehrswende“. Giffey hingegen inszeniert sich als Gegnerin dieser Politik. Dabei hatte die SPD das Projekt „autofreie Friedrichstraße“ einst selbst beschlossen. Giffey selbst war zwar nie ein Fan des Projektes. Rückgängig machte sie es aber auch nicht. Da wirken die empörten Bekundungen der Sozialdemokratin jetzt etwas hohl – Wahlkampf eben.
Wie es mit der Friedrichstraße weitergeht, ist offen. Die Wirtschaft vor Ort ist jedenfalls skeptisch: Der Handelsverband Berlin-Brandenburg (HBB) und die Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Berlin (Dehoga) wollen, dass weiterhin Autos über die ganze Friedrichstraße fahren können. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Verkehrsberuhigung“, sagte Phillip Haverkamp, Geschäftsführer des Handelsverbandes, dem Tagesspiegel. Aus Sicht der ansässigen Handelsunternehmen müsse es aber ein „ganzheitliches Verkehrskonzept für die historische Mitte Berlins“ geben. Das legt Jarasch jedoch nicht vor. Bei der Senatorin seien die Bedenken aus der Wirtschaft bisher auf taube Ohren gestoßen.