Die Pleite der Silicon Valley Bank sorgt für Aufruhr an den Finanzmärkten. Eine neue Finanzkrise ist so wahrscheinlich wie nie. Bis zu 20 Banken stehen vor dem Aus. Die Bilanzen der US-Banken verzeichnen bis zu 675 Milliarden Dollar Verlust. Eine Analyse der aktuellen Situation und ihrer Vorgeschichte.

Die Pleite der Silicon Valley Bank sorgt an Börsen auf der ganzen Welt für Verunsicherung. Die Kurse der Bankenaktien spielen seit Tagen verrückt. Bei dem Zusammenbruch der Bank handelt es sich um die größte Pleite einer US-Bank seit der Finanzkrise 2007/2008 und um die zweitgrößte Banken-Pleite in der Geschichte der USA überhaupt. Der amerikanische Staat versucht nun mit Mühe die Finanzmärkte zu beruhigen und die Einleger in Sicherheit zu wiegen.
Die FED (die amerikanische Zentralbank), das Finanzministerium und die Bankenaufsichtsbehörde FDIC haben sich deswegen zu einer Sondersitzung getroffen. Dort wurde beschlossen, die SVB nicht zu retten. Konkret erklärten sie in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass der amerikanische Steuerzahler „keine Verluste im Zusammenhang mit der Abwicklung der Silicon Valley Bank tragen“ müsse. Prinzipiell dürfte das erst einmal die richtige Entscheidung sein. Würde man die SVB vor der Pleite bewahren, würde dies ein fatales Signal an alle anderen amerikanischen Banken senden. Der Chance auf Gewinn muss immer das Risiko des Verlustes gegenüberstehen. Würde man die SVB retten, würde man genau dieses Prinzip ab absurdum führen. Banken wären verleitet künftig besonders hohe Risiken mit der Aussicht auf hohe Gewinne einzugehen. Gehen diese Investments nicht auf und man erleidet starke Verluste, werden diese eben vom amerikanischen Steuerzahler ausgeglichen.
Um die Einlagen der Gläubiger zu sichern, soll nun ein Programm aufgelegt werden, dass den Zugriff auf sämtliche Guthaben sichern soll. Üblicherweise werden durch die FDIC nur Einlagen bis 250.000 Dollar gesichert. Garantiert sind hier jedoch nur Einlagen bei der Silicon Valley Bank und bei der Signature Bank. Eben jene Signature Bank ist seit Freitag ebenfalls zahlungsunfähig. Sie ist damit die drittgrößte Bank der US-Geschichte, die bankrott gegangen ist. Der Bank wurden zwei Tage – Samstag und Sonntag – gewährt, um einen neuen Käufer zu suchen. Doch ein Investor wurde nicht gefunden. Jetzt wird die Signature Bank vom amerikanischen Staat abgewickelt.
Nun rächt sich die lockere Geldpolitik
Im Fall der Silicon Valley Bank kann man ablesen, was die jahrelange expansive Geldpolitik angerichtet hat. Die Silicon Valley Bank hatte jahrelang in ein Anleihen-Paket investiert, welches ihr eine jährliche garantierte Verzinsung von 1,5 Prozent einbrachte. Keineswegs kann man hier von einer hohen Rendite sprechen. 1,5 Prozent Rendite für Anleihen sind aber immer noch besser als 0 Prozent Rendite für amerikanische Staatsanleihen. Da die FED den Leitzins auf inzwischen 4,75 Prozent erhöht hat, sieht dies nun jedoch ganz anders aus. Die schlichte Investition in amerikanische Staatsanleihen – die wesentlich risikoärmer ist, als die Investition in ein Anleihenportfolio – verspricht plötzlich wesentlich mehr Rendite. Höhere Zinsen haben immer zur Folge, dass der Wert von Anleihen sinkt. Werden die Zinsen hingegen abgesenkt, steigt der Wert von Anleihen. Niemand möchte in ein Anleihenportfolio mit 1,5 Prozent Verzinsung investieren, wenn man wesentlich einfacher 4,75 Prozent Rendite pro Jahr erwirtschaften kann. Die SVB war letztlich gezwungen, ihr Anleihenportfolio mit einem Verlust von 1,8 Milliarden Euro zu verkaufen. Dies wurde darüber hinaus in einer unglücklichen Mitteilung verpackt, die Einleger zogen ihr Geld von der Bank ab und die Zahlungsunfähigkeit der SVB war besiegelt.
Doch die SVB steht mit ihren Problemen nicht allein da. MarketWatch zufolge könnten noch 20 weitere Banken mit ähnlichen Verlusten konfrontiert werden. Einer Statistik des FDIC zufolge haben amerikanische Banken insgesamt bis 675 Milliarden nicht realisierte Verluste in ihren Bilanzen stehen. Erst seitdem der Leitzins angehoben wurde steigen die Belastungen durch die unrealisierten Verluste an. Ganz überwiegend handelt es sich hierbei um Anleiheanlagen, deren Kurs wegen oben beschriebener Gründe gefallen ist. Derzeit steht insbesondere Die First Republic unter massivem Druck. Ihr Wert ist am Montag um 75 Prozent eingebrochen. Sollte auch sie pleitegehen, hätte sich die zweit-, dritt-, und viertgrößte Bankenpleite der US-Geschichte innerhalb nur weniger Tage ereignet. Auch die Charles Schwab Bank kommt unter große Bedrängnis. Sie erlitt am Montag Verluste von 30 Prozent.
Alles steht und fällt mit dem Vertrauen
Die wichtigste Währung am Finanzmarkt ist das Vertrauen. Die Finanzkrise 2007/2008 konnte nur entstehen, da die Gläubiger das Vertrauen in die Banken verloren hatten. Dieses Vertrauen konnte bis heute nicht zurückgewonnen werden. Der Bankensektor ist noch immer angeschlagen, wie die Aktienkurse zeigen. Die amerikanischen Großbanken Goldman Sachs und JP Morgan Chase entwickelten sich im Vergleich zum amerikanischen Leitindex Dow Jones weit unterdurchschnittlich. Die Bank of America notiert noch heute weit unter ihren Werten vor der Finanzkrise.
Die Deutsche Bank ist bei Anlegern ebenfalls unbeliebt und weit entfernt von Kursen aus dem Jahr 2007. Wie stark der Markt der Deutschen Bank tatsächlich misstraut, zeigen folgende Zahlen. Die Deutsche Bank hat derzeit eine Marktkapitalisierung (also einen Börsenwert) von etwas über 20 Milliarden Euro. Ihr Eigenkapital lag Ende 2021 hingegen bei rund 58 Milliarden Euro, hinzu kommen noch diverse Vermögenswerte. Der Wert der Bank entspricht also fast nur ein Drittel seines Geldvermögens. An der Börse ist man vom Geschäft der Bank ganz offensichtlich nicht überzeugt und sieht hohe Verlustrisiken durch das laufende Geschäft oder künftige Zahlungsverpflichtungen.
Joe Biden: „Unser Bankensystem ist sicher“
Viele sogenannte Experten führen nun aus, dass alles halb so wild sei. Der Harvard-Professor und ehemaliger US-Finanzminister Larry Summers sprach bei Bloomberg TV etwa von einer „Überreaktion“. Erika Najarian, Analystin bei der Bank UBS erklärte, dass die Kursstürze übertrieben gewesen sein könnten. Dass im Zweifel auf die Aussagen und Ratings von „Experten“ kein allzu großer Wert gelegt werden sollte, zeigen Die Erfahrungen aus der Finanz- und der Eurokrise als von vielen Seiten ebenfalls lange beschwichtigt wurde.
Joe Biden erklärte gestern: „Unser Bankensystem ist sicher“. Die Worte erinnern unweigerlich an die erste Oktoberwoche im Jahr 2008, als die Hypo Real Estate pleite ging. Angela Merkel trat mit dem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) vor die Presse und erklärte: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein“. Die Worte entfalteten ihre Wirkung und der Bank Run blieb aus. Ob weitere Bank Runs in Amerika ausbleiben ist offen. Fakt ist jedoch, dass sich der Charakter von Bank Runs gewandelt hat. Einleger müssen sich heute nicht mehr zum nächstgelegenen Bankautomaten begeben. Das Guthaben kann per Online-Banking bequem von einem Konto auf ein anderes transferiert werden.
Positiv ist bisher, dass der Interbankenmarkt nach wie vor intakt ist. Die Banken leihen sich untereinander also noch immer Geld. Die Finanzkrise 2007/2008 konnte hierdurch erst Fahrt aufnehmen. Zudem ist der Einfluss der SVB wie auch der Signature Bank auf die Realwirtschaft eher begrenzt. Die Signature Bank hatte viele Kunden, die in Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum oder andere investierten. Die SVB unterstützte vor allem Start-Ups. Das Wesen von Start-Ups ist es, dass sie ein hohes Wachstumspotenzial und hohe Investitionsausgaben haben. Ihr Einfluss auf das BIP ist jedoch eher klein.
Die SVB und die Signature Bank sind nun zahlungsunfähig, da ihre Einleger das Vertrauen in sie verloren haben. Diese Meldung trifft auf einen angeschlagenen Bankensektor, der sich von 2007/2008 längst noch nicht erholt hat und mit den Folgen einer jahrelangen fatalen Geldpolitik zu kämpfen hat. Ob nun weitere Banken wie Domino-Steine fallen werden kann niemand mit Sicherheit sagen. Eine neue Finanzkrise wird jedoch immer wahrscheinlicher.