Von Pauline Schwarz.
Es ist das schrecklich reale Horror-Szenario dieses Herbst und Winters: BLACKOUT! Versinken wir im Chaos, weil die Energie nicht mehr reicht, um die viertgrößte Industrienation der Welt flächendeckend mit Strom zu versorgen? Die Regierungsparteien schließen temporäre Strom-Abschaltungen nicht aus. Eine exklusive Abfrage von Pleiteticker.de zeigt: Wenn es soweit ist, sind nicht alle Krankenhäuser in diesem Land auf die Lage vorbereitet.
Als am 19.02.2019 versehentlich ein Kabel des Mittelspannungsnetzes in Berlin-Köpenick durchtrennt wurde, brach das blanke Chaos aus: Stromausfall im ganzen Bezirk – 30.000 Haushalte, 70.000 Menschen, 5 Pflegeheime, ein Hospiz, eine Dialyseeinrichtung und zwei große Krankenhäuser waren 24 Stunden von der Stromversorgung abgeschnitten. Es war der längste und großflächigste Stromausfall in Berlin seit der Nachkriegszeit.
Jetzt denken Sie sicher: Keine Panik, die Krankenhäuser haben ja eine Notstromversorgung – das haben uns Regierung und Politik doch zugesichert. Allerdings gab es da ein kleines Problem: In einem der Köpenicker Krankenhäuser brach die Versorgung nur 7,5 Stunden nach Einsetzen des Stromausfalls völlig zusammen. 25 Intensivpatienten, davon 17 beatmet, mussten umgehend aus dem betroffenen Krankenhaus in umliegende Krankenhäuser gebracht werden.
Das Beispiel Berlin-Köpenick hat bewiesen, dass die Versorgung unserer kritischen Infrastruktur nicht so sicher ist, wie man uns glauben machen möchte. Das ist hoch brisant – denn u.a. der Netzbetreiber Amprion meint: „Im Winter erwarten die Übertragungsnetzbetreiber eine äußerst angespannte Versorgungssituation.“ Dabei ist ausdrücklich „kontrollierte Lastabschaltung“ in Deutschland möglich. Aber was passiert mit Krankenhäusern, wenn im Landkreis kontrolliert der Strom abgestellt wird?
Pleiteticker.de fragte alle Bundesländer ab, wie die jeweilige Notstrom-Lage ist. Hier die Ergebnisse:
Berlin: Nur bestimmte Bereiche durch Notstromversorgung gesichert
Die Berliner Senatsverwaltung gibt gegenüber Pleiteticker.de an, dass alle „Notfall-/Aufnahmekrankenhäuser“ über eine eigene Notstromversorgung für einen Notbetrieb verfügen. Der umfasst allerdings nur bestimmte Bereiche: u.a. „die Zentrale Notaufnahme, die Intensivstationen oder die Operationsbereiche“. Das heißt aber: auf Normalstationen vieler Krankenhäuser der Hauptstadt geht bei einem Stromausfall das Licht aus.
Die Senatsverwaltung erklärt uns zusätzlich, dass selbst diese Notstromversorgung der Intensivstationen lediglich bei einem „Großteil“ der Krankenhäuser 24 Stunden lang aufrechterhalten werden kann – einem „Großteil“, es gibt also Krankenhäuser, die das nicht leisten können. Das Beispiel Köpenick brachte Berlin also schon an den Rande des totalen Gesundheitskollaps.
Wie lange ein Krankenhaus durchhalten könnte, läge „vorrangig an den Tanklager-Kapazitäten und der Treibstofflogistik“. Was genau das bedeutet und welche Voraussetzungen dafür notwendig sind, wollte man uns allerdings nicht verraten. Auch nicht, wie die Treibstofflogistik in Berlin im Falle eines Stromverbrauches aussieht und wie man diese sicherstellen will.
HAMBURG: Die Polizei Hamburg war auf Pleiteticker.de-Anfrage etwas offener: Es gebe „in Hamburg lediglich eine Tankstelle für Polizei und Feuerwehr, die mit Notstromaggregaten ausgestattet ist“. Alle anderen können im Zweifel also bei Stromausfall gar nicht mehr oder bestenfalls per Handpumpe benutzt werden. Bei einem Stromausfall steht eine einzige Tankstelle (!) zur Verfügung, um die Einsatzkräfte mit Kraftstoff zu versorgen und einsatzfähig zu halten. So viel zur „Treibstofflogistik“ von der die Einsatzfähigkeit der Krankenhäuser abhängt.
Baden-Württemberg: Notstromaggregat in „nahezu jedem“ Krankenhaus
Das Gesundheitsministerium Baden-Württemberg gab auf Pleiteticker.de-Anfrage an, dass die Krankenhausgesellschaft (BWKG) ihnen zugesichert habe, dass es in „nahezu jedem“ Krankenhaus im Land Notstromaggregate gebe. „Nahezu jedem“, das bedeutet: nicht in allen.
Einsatzfähigkeit der Krankenhäuser wird nicht geprüft
In Deutschland werden von staatlicher Seite keine zuverlässigen Überprüfungsmaßnahmen zur Sicherstellung der Energieversorgung der Krankenhäuser durchgeführt: In Berlin gibt man an, „keine Durchgriffsrechte“ gegenüber den Krankenhäusern zu haben. Niedersachsen ist da schon ehrlicher: „Der Betreiber des Krankenhauses ist eigenverantwortlich verpflichtet, die Anlagen funktionsfähig zu betreiben.“
Auch in Bayern spricht man von „eigenverantwortlich agierenden Krankenhausträgern“ – das Gesundheitsministerium habe die Krankenhausgesellschaft allerdings zusätzlich „für das Thema sensibilisiert und gebeten, sich auf mögliche Szenarien einer Energiekrise vorzubereiten beziehungsweise mögliche Gegenmaßnahmen, wie z. B. die kurzfristige Überprüfung der Funktionsfähigkeit der Notstromaggregate oder den Abschluss von Versorgungsverträgen für ggf. notwendige zusätzliche Kraftstoffmengen, zu ergreifen“.
In diesem Winter drohen flächendeckende Stromabschaltungen.
Viele andere Ministerien wollten unsere Anfragen entweder gar nicht oder nur in sehr kleinen Teilen, ohne Informationsgehalt, beantworten. Was sicher ist: In diesem Winter drohen mindestens sogenannte Lastabwürfe – die wurden, zum Beispiel von Berlins regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), bereits vorausgesagt. Das bedeutet, dass es zu flächendeckenden Abschaltungen der Stromversorgung kommt, um das Netz vor einer Überlastung zu bewahren und damit einen richtigen Blackout zu verhindern. Es ist dabei kaum möglich, nur einzelne Haushalte abzuschalten oder einzelne Betriebe von der Abschaltung auszunehmen. Eine Abschaltung betrifft ganze Regionen, Landstriche oder wie in Berlin teils auch ganze Stadtteile.
Im Klartext:
Unsere Anfragen haben ergeben, dass die deutschen Krankenhäuser zumindest über keine verlässliche Notstromversorgung verfügen – zudem lässt sich vermuten, dass einige Krankenhäuser noch weniger oder gar nicht auf einen Stromausfall vorbereitet sind. Es kann also nicht garantiert werden, dass der Krankenhausbetrieb bei einem Stromausfall fortgesetzt und so die weitere Versorgung und Sicherheit von Patienten gewährleistet werden kann.