Ca. 2,4 Millionen Berliner können heute über den Klima-Volksentscheid abstimmen. Der hat es in sich: Ein SPD-Gremium sprach etwa von „Ermächtigungs-Paragrafen“, vorgeschrieben sind auch ein Klimaschutzrat und drastische Maßnahmen wenn das Klimaziel nicht erreicht wird.
Heute findet im Berlin der Klima-Volksentscheid statt. Die Initiatoren des von Grünen unterstützten Volksentscheides „Berlin Klimaneutral 2030“ wollen mit der Abstimmung am 26. März 2023 eine Gesetzesänderung des bestehenden Klimaschutz- und Energiewendegesetz (EWG Bln) erreichen.
Dabei ganz entscheidend: Die Abstimmung ist im Gegensatz zu anderen Volksentscheiden, wie dem zu „Deutsche Wohnen enteignen“, bindend. Das heißt, wenn der Volksentscheid erfolgreich ist, wird das Gesetz erlassen. Doch das wäre fatal, denn die angestrebte Reform des Gesetzes ist radikal – selbst die Berliner SPD hält sie für gefährlich.
Der „Ermächtigungs-Paragraf“
Pleiteticker.de berichtete bereits exklusiv über ein internes SPD-Schreiben, in dem von einem „Ermächtigungs-Paragrafen“ die Rede ist. Bei der Analyse der SPD-Projektgruppe „Green New Deal“ zu Paragraf 6 heißt es: „Im Rahmen des vorgelegten Gesetzesentwurf kommt dieser Paragraph einem Ermächtigungsparagraphen gleich, denn die Demokratie wird in Verbindung mit §14 ausgehebelt.“
Der Paragraf 6, vor dessen undemokratischen und gefährlichen Charakter die SPD so ausdrücklich warnt, heißt in der aktuellen Version des Energiewendegesetz „Sofortprogramm bei Zielabweichung“ – im neuen Gesetzesentwurf heißt es: „Sofortprogramm bei Nichterfüllung von Verpflichtungen“. Aus Zielen sind also Pflichten geworden, wodurch man sich aus SPD-Sicht bei Nichterfüllung in den Bereich „Ordnungswidrigkeiten / Strafen“ begeben würde. Und zwar, wenn die „Gesamtmenge an Kohlendioxidemissionen voraussichtlich überschritten wird“. Zeichnet sich das ab, muss der Senat Sofortmaßnahmen zur Erreichung der Verpflichtungen durchführen – er hätte demnach kaum Entscheidungsspielraum und könnte wohl auch gerichtlich zur Umsetzung von radikalen Maßnahmen verpflichtet werden.
Der Klimaschutzrat – viel Macht, keine demokratische Legitimierung
Nach Paragraf 14 – der in Verbindung mit Paragrafen sechs laut SPD demokratiegefährdend ist – wird vom Berliner Senat ein Klimaschutzrat, der auf die Einhaltung der Verpflichtungen achtet und die Entwicklung von Sofortprogrammen begleitet, berufen – und zwar auf Vorschlag der für Klimaschutz zuständigen Senatsverwaltung. Die Verwaltung, die nicht aus demokratisch gewählten Zuständigen besteht, hat also die Auswahl der Mitglieder des Klimaschutzrates in der Hand. Ein Großteil der Kontrolle über Sofortmaßnahmen, die das Leben der Berliner Bürger massiv einschneiden können, liegt damit also nicht mehr in der Hand gewählter Volksvertreter, sondern bei einem vom Umweltsenat selektierten Gremium.
Es besteht die Gefahr, dass die Möglichkeit zu Sofortmaßnahmen – die laut SPD nicht demokratisch legitimiert sind – ausufernd genutzt wird. Wird der Klima-Volksentscheid erfolgreich umgesetzt, wird es für Berliner also nicht nur teuer, sondern noch viel mehr Freiheitseinschränkungen geben, als unter dem bisherigen Rot-Rot-Grünen Senat – unter Umständen müssen die Berliner sich dann komplett von ihren Autos verabschieden.
Der Volksentscheid wird unter anderem von der Grünen Jugend, „Fridays for future“, der taz, „Extinction rebellion“ und der Partei Volt unterstützt. Sie alle unterstützen den Gesetzesentwurf, der den „Ermächtigungs-Paragrafen“ und die folgenden Änderungen enthält:
Verpflichtung der CO2-Reduktion
Laut Paragraf 3 zu „Klimaschutzverpflichtungen“ soll sich die CO2-Reduktion bis 2025 um 70 Prozent reduzieren, bis 2030 um 95 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990. Die vorherige Regelung wurde so geändert, dass die Soll-Vorschrift zu einer Verpflichtung wird und die Zeiträume dramatisch verkürzt werden.
Berlin muss Mieterhöhungen für Mieter ausgleichen – Kosten für Vermieter werden gar nicht erst erwähnt
Nach demselben Paragrafen wird festgelegt, dass wenn durch Maßnahmen die Netto-Warmmiete für Wohnraum erhöht wird – was wohl unumgänglich ist – das Land dies ausgleichen muss. Die Verpflichtung gilt bis 2050. Woher das Geld kommen soll, wird nicht erklärt.
BER als Teil des Klimabudgets
Nach Paragraf 2 über „Begriffsbestimmungen“ sollen die Emissionen des Flughafens BER anteilig in das Klimabudget eingerechnet werden. Es besteht also die Gefahr, dass eine Sofortmaßnahme für die Emissionsreduktion die Verringerung der Anzahl von Flügen sein könnte.
CO2-neutrale Landesverwaltung
Nach den Paragrafen acht und neun gibt es künftig eine Verpflichtung zur umfassenden energetischen Sanierung aller öffentlichen Gebäude bis 2030. Außerdem muss die gesamte Landesverwaltung bis 2030 CO2-neutral werden, insbesondere durch Energieeffizienz, Einsparungen von Energie und Erhöhung des Anteils von Erneuerbaren Energien. Die umfassenden, bekannten Probleme, die damit einhergehen, werden natürlich nicht aufgegriffen – dass die komplette Umstellung der Verwaltung auf CO2-Neutralität gigantische Summen verschlingen wird, ebenfalls nicht. Wo das Geld herkommen soll, bleibt mal wieder ein Geheimnis.
Maßnahmen nach aktuellen Erkenntnissen zum Klimawandel
Nach Paragraf 15 muss der Senat aufgrund des aktuellen Kenntnisstandes zum Klimawandel – hier kommt wohl „die Wissenschaft“ wieder ins Spiel – Maßnahmen treffen, die das Land Berlin dazu verpflichten, die „Anpassungsfähigkeit natürlicher, gesellschaftlicher und ökonomischer Systeme zu verbessern und die Funktion der städtischen Infrastrukturen sowie die urbane Lebensqualität zu erhalten.“ Diese Formulierung ist so offen, dass darunter eigentlich alles fallen kann.
Man kann sich damit schonmal auf eine Flut von Verwaltungsklagen freuen, die den Senat aufgrund dieser Klausel zu verschiedensten Maßnahmen zwingen könnte.
„Preisgünstig“ wird gestrichen
In Paragraf 18 „Aufbau einer klimaverträglichen Energieerzeugung und -versorgung“ stand bisher: „Der Senat von Berlin strebt eine sichere, preisgünstige und klimaverträgliche Energieerzeugung und -versorgung mit Strom und Wärme im Land Berlin an“. Der Begriff „preisgünstige“ passte aber anscheinend nicht in die radikalen Pläne, er wurde gestrichen. Günstige Energie für Berliner Bürger und Betriebe wird es in Zukunft wohl nicht mehr geben.
Zwangsweise Installation von Solarpanels?
In Paragraf 19 zur „Benutzung erneuerbarer Energien“ steht: „Das Land Berlin unternimmt alle erforderlichen Schritte für die Erzeugung und Nutzung von erneuerbaren Energien auf, in und an öffentlichen und privaten Gebäuden sowie auf sonstigen öffentlichen Flächen“ (Paragraf 19 Abs. 1). Das könnte zum Beispiel auch die zwangsweise Installation von Solarpanels für alle Hauseigentümer bedeuten.
Knapp 2,4 Millionen Berliner sind wahlberechtigt und können bis 18 Uhr heute abstimmen. Als beschlossen gilt der Volksentscheid wenn die Mehrheit der Wähler dafür stimmen und zugleich auch mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten mit Ja stimmen. Nötig sind also rund 608.000 Ja-Stimmen. Gelingt das, gilt das Gesetz als beschlossen und tritt in Kraft.