
Pleiteticker-Kommentar
Von Pauline Schwarz
Seit ganzen zwölf Jahren ist nun schon klar, dass die Fußball-Weltmeisterschaft in diesem Jahr in Katar stattfindet, die große Kritik von Politik und Medien blieb bislang allerdings aus. Erst jetzt, nachdem der katarische WM-Botschafter Homosexualität in einem ZDF-Interview als „geistigen Schaden“ bezeichnete, kam der Aufschrei. Dabei ist die Haltung der Kataris keineswegs überraschend – immerhin ist Homosexualität in diesem Land verboten und kann noch immer mit dem Tod bestraft werden. Wirklich überraschend ist nur eines: Das ohrenbetäubende Schweigen zu der katarischen Frauenfeindlichkeit.
Homosexualität ist „haram, also aus religiösen Gründen verboten, eine Sünde“, „es ist ein geistiger Schaden“ – das sagte Katars WM-Botschafter Khalid Salman dem ZDF-Moderator Jochen Breyer in einem Interview für die Doku „Geheimsache Katar“ – eine Aussage, über die man sich zurecht aufregen kann. Eine, die vor dem Hintergrund der katarischen Gesetzgebung zurecht an der Sicherheit Homosexueller zweifeln lässt. Doch das war nicht alles: Breyer fragte Salman auch, warum Frauen in Katar verschleiert seien müssen, dieser entgegnete: „Vergleich mal: Vor dir liegt eine unverpackte Süßigkeit, du weißt nicht ob sie jemand berührt oder reingebissen hat und eine verpackte – welche nimmst du?“
Frauen sind in Katar also wie Süßigkeiten, sie sind Objekte, keine eigenständigen Lebewesen mit Wünschen und Bedürfnissen: Wenn du sie auspackst, sind sie wertlos – und: „Was könnte für sie besser sein als im Haus zu bleiben, mit all dem Reichtum ihres Vaters. Warum nur sollte eine Frau das Haus verlassen? Auf das Geld, die Fürsorge, die Liebe verzichten?“ – die wohl absichtlich relativ sanft gewählten Worten sprechen Bände: Frauen sind in Katar mitnichten gleichberechtigt. Sie haben in ihrem Vater, Bruder oder dem Staat einen männlichen Vormund, dürfen nicht selbst entscheiden, wen sie heiraten, ob sie arbeiten, das Haus verlassen, verreisen oder Sex haben wollen.
Es gilt die Scharia: Frauen können in Katar für „ungehorsam“ hart bestraft werden – wenn eine Frau vergewaltigt wird und das zur Anzeige bringt, kann sie für außerehelichen Geschlechtsverkehr zu einer Geldstrafe, zu Peitschenhieben und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden. Das Menschenbild ist, wie das ZDF in einem Kommentar – nach der Aussage von Nationalspieler Leon Goretzka – treffend betitelt, „aus einem anderen Jahrhundert“. Doch in diesem und anderen Artikeln und Äußerungen fällt nicht ein einziges Mal das Wort Frau.
Von Bundesjustizminister Marco Buschmann, über zahlreiche Fußballspieler wie Goretzka oder Salihamidzic bis hin zu zahlreichen Medien ist die Empörung groß: Wir müssen jetzt Solidarität zeigen und ein Zeichen setzen, Homosexualität ist keine Krankheit. Doch was ist mit der Solidarität mit Frauen – ist das unsere feministische Außenpolitik? Wieso traut sich niemand das mittelalterliche Frauenbild in dem islamischen Land zu kritisieren?
Wahrscheinlich weil man sich eben nicht traut den Islam zu kritisieren – bei Homosexualität ist Schluss, doch Frauenhass ist anscheinend eine kulturelle Freiheit. Unsere ach so groß besungene feministische Außenpolitik entpuppt sich damit wieder mal als ein einziges großes Politiktheater – als Heuchelei. Dass sich in Politik und Medien kaum einer über die Tatsache aufregt, dass nur hörige, jungfräuliche Frauen in Katar etwas Wert sind, ist genauso entlarvend wie die Tatsache, dass deutsche Politikerinnen sich selbst als Feministinnen bezeichnen und bei Staatsbesuchen dann freiwillig das Kopftuch anziehen.