
Ein Verfassungsrichter aus Rheinland-Pfalz hält die Aktionen der „Letzten Generation” für gerechtfertigt. „Wenn man sich auf der Straße festklebt, geht ja erst mal nichts kaputt”.
Michael Hassemer hat einen Lehrstuhl an der Universität Kaiserslautern und wurde auf Vorschlag der Grünen 2014 Mitglied der Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz. Gegenüber dem SWR drückte er Verständnis für die Proteste der „Letzten Generation” aus. Diese klebten sich zuletzt auf ein Rollfeld des Berliner Flughafens fest und blockierten somit für zwei Stunden den Betrieb. Hassemer schätzt jedoch „die Konsequenzen, die der Menschheit durch das Unterlassen von Klimaschutzmaßnahmen entstehen”, als so gravierend ein „dass Rechtsbeeinträchtigungen durch Protest bis zu einem gewissen Maß durch Notstand gerechtfertigt und darum hinzunehmen sind.”
Dabei bezieht er sich auf § 34 StGB (Strafgesetzbuch), danach handelt man nicht rechtswidrig, wenn „in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut” eine Tat begangen wird, um diese Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden. „Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.” Hassemer sieht die bisherigen Mittel der Aktivisten als angemessen, er betont „wenn man sich auf der Straße festklebt, geht ja erst mal nichts kaputt, und wir leben in einem Land der Falschparker und Rettungsgassenverweigerer.” Ob durch die Blockaden „nichts kaputt“ geht mag manch einer anders sehen, wenn man bedenkt, dass die Klima-Blockaden u.a. auch Rettungseinsätze blockieren, was mitunter schonmal tödlich enden kann, wie zuletzt in Berlin als ein Betonmischer erneut über eine verunglückte Radfahrerin rollen musste, weil die Feuerwehr nicht rechtzeitig vor Ort war.
Aus der CSU hagelt es Kritik: Alexander Dobrindt spricht von der “Entstehung einer Klima-RAF”. Der Verfassungsschutz hingegen sieht in den Aktivisten keine Bedrohung. Für Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, handelt es sich nicht um Extremisten. Zwar erkennt er an, dass es sich tatsächlich um Straftaten handelt. „Aber das Begehen von Straftaten macht diese Gruppierung jetzt nicht extremistisch.” Stattdessen definiert er Extremismus als eine Haltung, die sich gegen den Staat, die Gesellschaft und freiheitlich demokratische Grundordnung stellt. Die Aktivisten würden lediglich durch Protestaktionen die Regierung zum Handeln auffordern.
In Rheinland-Pfalz blockieren Klimaaktivisten seit zwei Jahren die Rodung eines Waldstücks. Eigentlich soll dort eine vierspurige Bundesstraße entstehen. Zusätzlich hat die Bewegung angekündigt, neue Aktivisten anzuwerben, um weitere Aktionen durchzuführen. Dazu gehört unter anderem auch die Blockade von Autobahnen. Als Bedingung zur Beendigung ihrer Aktionen fordert die „Letzte Generation” von der Regierung die Einführung eines Tempolimits von 100 km/h auf Autobahnen und die Weiterführung des 9€-Tickets.