In der RTL-Casting-Show „Deutschland sucht den Superstart“ hatte Juror Dieter Bohlen die Kandidatin Jill Lange (bekannt aus anderen TV-Kuppel- und Dating Shows) folgendes gefragt: „Hast du irgendwas Normales gemacht? Oder hast du nur Abi und dich durchnudeln lassen?“ – Lange fühlte sich durch diese Frage beleidigt, eine Sexismus-Debatte war entbrannt. Doch ist das wirklich Sexismus? Ja, meint unsere Autorin Ute Oelker – Nein, widerspricht ihre Kollegin Larissa Fußer.
Ja – Das Sexleben junger Frauen geht Bohlen nichts an
von Ute Oelker

Die Frage, ob Jill Lange in ihrem Leben schonmal etwas „Normales“ gemacht habe sich nach dem Abi nur habe „durchnudeln lassen“ist sexistisch. Bohlen sagt nichts anderes als: „Du bist eine Schlampe!“
Es geht aber weder Bohlen noch sonst jemanden etwas an, mit wie vielen Männern eine Frau wo und wie oft Sex hat. Egal ob im Fernsehen oder privat.
Wer bei „Deutschland sucht den Superstar“ antritt, muss mit vielem rechnen: mit flapsigen bis knallharten Sprüchen, jede Menge Häme und vernichtenden Kommentaren zu möglicherweise vorhandenem musikalischem Talent. Mit Sexismus nicht!
Aber ist Bohlen der alleinige Buh-Mann? Ich sage nein. Dieter wird immer Bohlen bleiben, anrüchige Sprüche inbegriffen. Mit genau diesem Bohlen macht RTL seit Jahren Quote und somit Kasse. Also ist es Aufgabe des Senders, der sich jüngst zudem öffentlichkeitswirksam zu „trans-sensibler“ Sprache bekannt hat, Sexismus nicht zu senden.
Umso entlarvender die Begründung von RTL: „Jill hätte den Wettbewerb zu jedem Zeitpunkt verlassen können, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlt – das hat sie aber nicht getan“, hieß es gegenüber BILD. Motto: selbst schuld!
Schuld ist vielmehr ein Sender, der sich nach außen inklusiv und diskriminierungsfrei gibt, in Wahrheit aber genau damit – mit dem Verführen von mehr oder weniger talentierten Menschen vor Millionen Zuschauern – Geld verdient. Mit Dieter Bohlen als Zugpferd.
Nein – Bohlen sagt doch nur die Wahrheit!
Von Larissa Fußer

„Es ist fast unmöglich, Männer über 50 zu verändern“, steht am heutigen Dienstag groß auf der Bild-Startseite. Das Zitat stammt von „DSDS“-Jurorin Katja Krasavice – gemeint ist ihr Kollege Dieter Bohlen. Der 68-Jährige wird nach einem provokativen Kommentar, den er in der neuen DSDS-Staffel gemacht hat, nun öffentlich als Frauenfeind gebrandmarkt. Der Autor des Krasavice-Artikels insinuiert sogar, dass dieser „Skandal“ Bohlen die Karriere kosten könnte.
Was ist passiert? An der neuen Staffel „DSDS“ nimmt eine Kandidatin teil, die RTL-Zuschauern nicht unbekannt ist. Die 22-jährige Jill Lange – blond, Puppengesicht, Nasenpiercing und Riesentattoos – hat schon bei diversen Kuppelshows des Senders mitgemacht. Darauf wurde sie bei „DSDS“ unter anderem von Dieter Bohlen angesprochen. Er fragte sie, warum sie bei diesen Sendungen mitgemacht habe. Ihre Antwort: „Also, ich habe Abitur gemacht und danach dachte ich mir: ‚Was machst du jetzt?‘ Ich wollte (…) Abenteuer erleben.“ Jetzt (Triggerwarnung!) Bohlens Sexismus-Satz: „Hast du irgendwas Normales gemacht? Oder hast du nur Abi und dich durchnudeln lassen?“.
Jill kontert eher schlecht als recht mit einem trotzigen „Jeder soll doch machen, was er will!“. Später auf Instagram folgt das große Drama: Heulend jammert sie in die Kamera „Dieter hat mich beleidigt“. Und scheinbar zerfließt die Bild-Zeitung im Mitleid mit dem ach so armen kleinen Mädchen, das vom pösen pösen alten weißen Mann sexistisch, ja frauenfeindlich beleidigt worden sein soll.
Jetzt mal Tacheles: Kennen die selbsternannten Feministen, die Bohlen jetzt vernichten wollen, überhaupt diese Kuppelshows, mit denen Jill offenbar ihren Lebensunterhalt bestritten hat? Das ist nicht so eine Nachmittagssendung, bei der ein Mann und eine Frau in Speed-Dating-Manier zwei Minuten miteinander sprechen, die Frau dabei schüchtern die Augenlider nach unten wirft und am Ende wird doch nichts draus, weil der Mann noch nicht über seine Ex hinweg ist. Jill Lange hat unter anderem bei den RTL-Formaten „Ex on the beach“ und „Are you the one“ mitgemacht – wer das nicht kennt: Da ist Rumbumsen vor laufender Kamera nicht Seltenheit, sondern Sendungskonzept. Die Kandidaten laufen dort durchgängig in ultra-knappen Bikinis rum, bekommen von den Sendungsmachern Challenges, die nur mir viel Körperkontakt und Rumlecken zu meistern sind, und machen mehr oder weniger jeder mal mit jedem rum.
Jill war da nicht die kleine 20-Jährige, die sich das alles nur mal anschauen wollte. Im Gegenteil: Wer die einschlägige Klatschpresse studiert, findet so einige Berichte über Jills „Abenteuer“ vor laufender Kamera, die ich hier nur auszugweise wiedergeben kann. Im letzten Sommer zum Beispiel tratschte die „Ex on the beach“-Community aufgedreht über Jill und ihren (jetzt Freund) Lars. Der Grund: Die beiden hatten (vor laufender Kamera) miteinander geschlafen, während die anderen Kandidaten neben ihnen lagen. Bevor hier ein RTL-Neuling einen Herzinfarkt kriegt: Das ist immer unter der Decke und so, keine Sorge. Aber schon mit glaubhaften Geräuschen und Bewegungen. Ein Jahr vorher hatte Jill bei „Are you the one“ einen Kandidaten am Arm gepackt und ihn kurzerhand zum Vögeln in den Nebenraum kommandiert. Natürlich ist auch das für die Zuschauer festgehalten worden.
Dieter Bohlen war also nicht sexistisch – er hat einfach die Wahrheit gesagt. Wer sich den besagten Ausschnitt anguckt, sieht, dass Bohlen nach Jills „Soll doch jeder machen wie er will“-Kommentar milde „ja, ja“ antwortet. Er erklärt dann, worum es ihm eigentlich geht: „Der liebe Gott hat vor den Erfolg den Schweiß gesetzt“, sagt Bohlen und das unterstütze er. Diese Kuppel-TV-Formate aber halte er für „Schrott“. Will sagen: Mädchen, wieso hast du nicht mehr aus deinem Leben gemacht? Warum hast du nicht studiert oder etwas Ordentliches gearbeitet?
Ich sehe hier keinen Sexismus-Skandal, sondern einen witzigen – weil vermutlich unbeabsichtigten – Angriff auf RTL: Der alte Dieter sagt auf seine alten Tage einer jungen Frau, dass sie doch mehr mit ihrem Leben anfangen solle, als nur Reality-TV Star bei RTL zu werden. Wer sich hier eigentlich aufregen müsste, ist nicht Jill – sondern RTL – immerhin stellt Bohlen das Trash-Sendungskonzept des gesamten Kanals infrage.
Und mal unter uns, Jill hätte auch schlagfertiger reagieren können. Warum hat sie nicht einfach gesagt: „Sie haben ja so recht, deswegen bin ich hier, um vom König des Schrott-TVs zu lernen, wie man die ganz große Kohle macht – nicht, dass sein Wissen im Altersheim verloren geht“. Bohlen hätte vermutlich gelacht – und sich später einen Botox-Termin gemacht.

