In Italien kommen erneut tausende Flüchtlinge an – Prognose steigend. Durch das Aussetzen des Dublin-Verfahrens übt die Regierung nun Druck auf andere EU-Länder aus.
Allein in diesem Jahr wagten etwa 28.000 Flüchtlinge, viermal so viele wie im Vorjahreszeitraum, die gefährliche Mittelmeerüberfahrt nach Italien. Wenn sich im Mai die See beruhigt, werden noch mehr Boote an Europas Küsten erwartet – Europa steht damit vor einer neuen, schweren Flüchtlingskrise. Einer, bei der Italien nicht mehr mitmachen will.
Italien blockiert: Unter der Führung von Giorgia Meloni wurde im Dezember 2022 das sogenannte Dublin-Abkommen ausgesetzt, welches regelte, dass Asylanträge in dem EU-Land bearbeitet werden müssen, in dem die Flüchtlinge zuerst europäischen Boden betreten. Bei Weiterreise hatten Länder bislang sechs Monate Zeit, Flüchtlinge an das Erstankunftsland zurückzuschicken.
Trotz massiver Kritik aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz bleibt die Regierung von Giorgia Meloni unbeeindruckt und lehnt das Hauptprinzip der EU-Flüchtlingspolitik ab.
Was das bedeutet: Flüchtlinge, die über Italien nach Deutschland kommen, bleiben in Deutschland. Die Fristen laufen trotz der Rücknahme-Verweigerung der Italiener nämlich weiter. Ende Mai könnten die ersten Rückführungen verfallen – die Flüchtlinge müssen dann in Deutschland – oder einem anderen EU-Land – bleiben.
Anfang März kam es daher auf dem EU-Innenministertreffen zu undiplomatischen Tönen, als Frankreich und Deutschland Italien offen kritisierten – doch die italienische Regierung zeigte sich unbeeindruckt und hält an ihrem Vorhaben fest.
Die Lage spitzt sich zu: Anfang Mai, wenn die Überfahrten erfahrungsgemäß noch weiter zunehmen, wird Italien nach der Einschätzung der Schweizer Abgeordneten Martina Bircher (SVP) keine zusätzlichen Aufnahmekapazitäten bereitstellen. Dadurch dürfte sich die Situation weiter zuspitzen. Bircher sagte der NZZ das Dublin-Abkommen sei bereits „tot“.
Allein in der letzten Märzwoche landeten über 6.000 Flüchtlinge in Italien. Am Osterwochenende kamen auf der italienischen Insel Lampedusa weitere 1.000 Flüchtlinge an. Die überfüllten Asylzentren im Land zwingen immer mehr Menschen dazu, ihren Weg Richtung Deutschland fortzusetzen. In den kommenden Monaten wird die Lage sich voraussichtlich weiter zuspitzen.