Am Samstag findet die Krönung von Charles III. statt.
Ist das ein Grund zum Feiern? Wir debattieren:
Ja, sagt Sebastian Thormann
- Nach fast 70 Jahren wird wieder ein britischer Monarch gekrönt.
- Trotz dem mitunter übertrieben scheinenden Pomp, sollten wir das nicht belächeln.
- Die britische Krone verkörpert Geschichte, Tradition und eine Institution die sich bewährt hat – über unzählige Jahren.
- Während Deutschlands Demokratie erst jung ist, steht Großbritanniens Monarchie für Jahrhunderte von Parlamentarismus und Freiheit.
Nach fast genau 70 Jahren findet wieder die Krönung eines britischen Monarchen statt: Und jetzt schon ist klar: Es wird ein Spektakel. Mit goldener Kutsche geht es vom Westminster Abbey nach Buckingham Palace, dort Charles III. wird dann mit einer jahrhundertealten Krone bespickt mit unzähligen Juwelen gekrönt. An Prunk wird es nicht fehlen, auch nicht an Soldaten, Amts- und Würdenträger in allerlei uralt anmutenden Uniformen. Das passt nicht allen.
Auch hierzulande schaut man gerne belächelnd auf die Briten und ihre Monarchie. Alles überholt, von gestern, heißt es da gerne. Wir dagegen sind ja modern mit unserer Demokratie, die Briten hängen hinterher mit ihrem königlichen Pomp.
Unsere Berliner Republik bietet nur Glas-Beton-Schlösser
Klar der Prunk ist unserer Berliner Republik fern, das Zentrum der Macht hierzulande bildet immerhin eine halb-gläserne Beton-Festungen mit Metallschrott im Vorgarten und dem Charme eines Verwaltungsbaus. Ein bisschen weiter leistet man sich dann noch ein kleines Schloss für den Grüßaugust der Republik, der nicht vom Volk, sondern von unserem Politadel gewählt wird. Natürlich viel, viel besser als ein König.
All die vermeintliche Überlegenheit gegenüber der britischen Monarchie könnte also vielleicht auch ein bisschen von Neid getrieben sein. Dass sich jedenfalls Briten all die Jahre viel eher mit Elizabeth II. identifizieren konnte, als wir uns hierzulande mit Steinmeier, Gauck, Wulff und Co. steht wohl außer Frage.
Immer wenn man über Monarchie redet, steht genau das im Vordergrund: Die Identifikation mit dem König, und das ist in vielerlei Hinsicht auch von der Person des Königs abhängt. Was man von Charles II. hält, da gehen wohl die Gemüter eher auseinander als bei Elizabeth II. – aber das ist nicht der Kern der britischen Monarchie. Sie ist viel größer als nur eine Person.
Garant der Freiheit und Stabilität in jahrhundertelanger Tradition
Und das ist es, was man nicht vergessen sollte: Bei all dem Belächeln von Protz und Prunk – unsere Bundesrepublik gibt es gerade mal seit etwas mehr als 70 Jahren, die britische Krone steht seit Jahrhunderten an der Spitze eines Großbritanniens, das fast die ganze Zeit freiheitlicher, demokratischer und stabiler als Deutschland war.
In Großbritannien wählte das Volk seine Regierung, während hierzulande Diktatoren wüteten. In Großbritannien gab es schon lange ein Vereinigtes Königreich, während sich hierzulande fürstliche Kleinstaaten bekriegten. In Großbritannien existiert schon seit 800 Jahren eine Magna Charta, während hierzulande Bürgerrechte erst im vorletzten Jahrhundert so langsam populär wurden.
Unsere Bundesrepublik gibt es gerade mal seit etwas mehr als 70 Jahren, das System Westminster mit einem König mit Krone, Zepter und Co. an der Spitze ist hingegen seit hunderten von Jahren für Briten ein Garant für Stabilität, Freiheit und Parlamentarismus.
Die Frage lautet also nicht, ob ein Brite namens Charles Mountbatten-Windsor jetzt Zepter und Krone verdient hat, sondern: Warum das über den Haufen werfen, was sich seit Jahrhunderten bewährt hat?
Im Dienst der Nation, nicht der Belehrung anderer
Weil der neue König ein Grüner ist, wie manche sagen? Wenn er wirklich ein Grüner ist, dann wird er wohl der harmloseste Grüne sein, den es gibt. Charles III. zwingt niemanden etwas auf, belehrt keinen seiner Untertanen.
Denn wenn auch ungeschrieben gilt für britische Monarchen die britische Verfassung – und nach der hat sich Charles III. aus der Tagespolitik herauszuhalten. Er hat sich penibel an parteipolitische Neutralität zu halten, mehr noch als etwa ein deutscher Bundespräsident. Elizabeth II. verkörperte das par excellence, sie widmete ihr Leben dem Dienst an der eigenen Nation. Und nach sechs Monaten auf dem Tron – Charles III. ist schließlich seit dem Todestag seiner Mutter Monarch auch ohne Krönung – gibt es keinerlei Anzeichen, dass er auch nur ansatzweise versucht daran zu rütteln.
Fakt ist: Robert Habeck schreibt deutschen Bürger mehr vor, als es der König von England seinen Untertanen je könnte. In der Hinsicht ist der britische Monarch – ob grün oder nicht – also liberaler als unsere Bundesregierung. Und auch weniger belehrend als der Grußonkel von Schloss Bellevue.
Stattdessen repräsentiert er ein Königreich, das nicht nur diesen Kontinent, sondern die ganze Welt mit seinen Seefahrern, seiner Sprache, seinem Rechtsstaat, seiner Kultur und seinen Ideen für immer tiefgreifend geprägt hat. Heute wird Charles II. in Westminster Abbey zum König gekrönt – wie schon Wilhelm der Eroberer fast tausend Jahre zuvor. Das mag pompös erscheinen, ist aber vor allem eine Feier von Großbritanniens langer Geschichte, Tradition und einer Institution, die sich bis heute bewährt hat.
Nein, sagt Larissa Fußer:
- König Charles ist seit seiner Jugend als glühender Umweltschützer bekannt.
- Er setzte sich öffentlich für das Pariser Klimaabkommen ein, drückte seine Sympathie mit „Fridays For Future“ aus.
- Mit seiner Krönung dürfte auch die grüne Ideologie in den Buckingham Palace einziehen.
An diesem Wochenende feiert ganz Großbritannien – endlich lässt sich die traditionsträchtige britische Monarchie mal wieder hautnah miterleben. Die Krönung von König Charles III wurde lange erwartet – nicht zuletzt vom Windsor selbst. Über 70 Jahre musste der Sohn der im letzten Jahr verstorbenen Königin Elizabeth II auf diesen Moment warten.
Nicht nur die Briten sind ergriffen von dem „Jahrhundertereignis“ – auch viele Deutsche bekommen glänzende Augen, wenn sie über die Krönungszeremonien sprechen. Und so sehr man die Faszination für das Jahrhunderte alte britische Königshaus verstehen kann – es darf nicht vergessen werden, welcher Mensch hinter dem Monarchen steckt, der am Wochenende in zahlreichen Live-Übertragungen verfolgt werden kann.
Er warnte vor der Klimakatastrophe, bevor es cool war
Von Medien und Politikern wird Charles Werdegang oft ähnlich wie das Märchen des hässlichen Entleins erzählt. Ein Prinz, der lange Zeit als schrulliger Sonderling mit einer seltsamen Vorliebe für Klimaschutz galt – sich jedoch letztendlich als grüner Vorreiter entpuppte, der schon von der Klimakatastrophe gewarnt hat, bevor es cool war.
Tatsächlich liest sich die über 70 Jahre lange Geschichte des (damals) Prinzen Charles ein wenig wie die zauberhafte Karriere eines Öko-Urgesteins aus dem berüchtigten Berliner Bio-Bezirk Prenzlauer Berg. Schon 1970 warnte Charles in einer großen Rede vor der Verunreinigung von Flüssen und Meeren durch Plastikmüll und Chemikalien. Auch die Luftverschmutzung durch Industrie, Straßenverkehr und Flugzeuge mahnte er an – er war damals gerade mal 21 Jahre alt.
Später war er den Briten als der seltsame Thronfolger bekannt, der liebevoll mit Pflanzen und Bäumen sprach und in seinen Ländereinen im Herzogtum Cornwall schon in den 1980er Jahren die Öko-Landwirtschaft einführte. In der Königsfamilie soll Charles jahrelang dafür berüchtigt gewesen sein, zu jeder Zeit eine Auswahl frischer Bio-Lebensmittel aus seinem eigenen Anbau mit sich zu führen.
William und Harry mussten als Kinder Müll sammeln
Seine Umweltliebe – beziehungsweise, wie manche sagen würden, seinen Klima-Fanatismus – gab Charles auch schon früh an seine Söhne William und Harry weiter. Prinz William erzählte einmal gegenüber der BBC, dass sein Vater ihn und seinen Bruder in den Ferien gerne zum Müllaufsammeln am Strand verpflichtetet habe. William mache heute laut eigenen Angaben dasselbe mit seinem ältesten Sohn George. Diese doch recht spaßfeindlichen Erziehungsmethoden kennt man nicht einmal von Prenzlauer Berger Öko-Muttis…
Mit der Zeit engagierte Charles sich zunehmend auch über das Private hinaus für den Klimaschutz. 2010 veröffentlichte er mit „Harmony – A New Way of Looking at Our World“ ein Buch, in dem er auch der breiten Öffentlichkeit seinen Blick auf die Welt offenbarte. Darin prangerte unter anderem den „Raubbau“ des Menschen an der Natur an und erklärte, dass das Buch sein Versuch sei, „Wege aufzuzeigen, wie wir die Welt heilen können“.
Später setzte sich der Prinz unter anderem öffentlich für das Pariser Klimaabkommen ein, versuchte sogar 2019 in einem persönlichen Gespräch den damaligen US-Präsident davon zu überzeugen, sich nicht aus dem Klimapakt zurückzuziehen. Im Herbst 2021 verkündete Charles öffentlich seine Sympathie mit „FridaysForFuture“-Gesicht Greta Thunberg. Damals sagte er der BBC, dass er die Frustration der Klima-Demonstranten verstehe. Immerhin höre niemand ihnen zu, während sie sehen, wie ihre Zukunft „vollkommen zerstört“ werde.

Große Klima-Rede in Davos
Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2020 hielt der Prinz eine Rede, die er genauso auf einer „FridaysForFuture“-Demo hätte vortragen können. „Wollen wir als die Leute in die Geschichte eingehen, die nichts getan haben, um die Welt vom Abgrund zurückzuholen, um die Balance wiederherzustellen, als wir das noch konnten?“, fragte Charles sein hochkarätiges Publikum. Um dann zu erklären: „Ich will das nicht.“ Es folgte ein von ihm entwickelter Zehn-Punkte-Plan für mehr Nachhaltigkeit, der unter anderem Investitionen in natürliche Werkstoffe und eine treibhausgasneutrale Wirtschaft beinhaltete. Die Menschheit müsse in Harmonie mit der Natur leben, erklärte der Klima-Prinz.
Doch nicht nur in puncto Klimaschutz ähnelt der neue britische König einem Prenzlauer Berger Öko. Charles machte nie einen Hehl daraus, großer Anhänger alternativer Heilmethoden, insbesondere der Homöopathie zu sein. Seine Begeisterung für Globuli-„Medizin“ ging so weit, dass er zwischen den Jahren 2004 und 2005, in den als „Black Spider Memos“ bekannten Briefen an führende Regierungsmitglieder, unter anderem den damaligen Premier Tony Blair dazu aufforderte, die Verfügbarkeit von pflanzlichen Arzneimitteln in Großbritannien zu erhöhen. Seit 2019 ist Charles zusätzlich Schirmherr der „Faculty of Homeopathy“ der „British Homeopathic Society“.
Der Prenzlauer Berg zieht in den Buckingham Palace ein
Wenn dieses Wochenende also die ganze Welt die Krönung von König Charles III bestaunt, kann ich nicht anders, als zu denken: Der Prenzlauer Berg zieht soeben in den Buckingham Palace ein. Dieser Eindruck wird nur verstärkt, wenn ich lese, dass der neue König aus Liebe zur Natur in der Krönungszeremonie auf die traditionellen Pelze verzichtet und stattdessen sein Krönungsgewand mit Bienen und Käfern besticken ließ.
Heimlich hoffe ich, dass die Tradition des britischen Königshauses wenigstens in einem Punkt bestehen bleibt: Mit der Krönung des Königs beginnt seine politische Zurückhaltung. Charles Mutter Elizabeth II hat diese Fähigkeit bekanntlich beherrscht, wie keine zweite – und wurde dafür weltweit verehrt. Vielleicht denkt König Charles ja an sie, wenn er in seinen mit Käfern bestickten Gewändern die königliche Salbung empfängt. Dann wird aus dem träumerischen Öko-Prinzen womöglich am Ende doch noch ein Realo-König.