
Pleiteticker-Kommentar
Von Max Roland
Die Gründe für die Blamage am Golf sind vielfältig: Aber die verfilzten und hoffnungslos politisierten Strukturen des DFB haben maßgeblich dazu beigetragen. Die „OneLove“-Binde wird zum Symbol einer gescheiterten Funktionärskaste um Bierhoff und co.: Eine Mannschaft, die sich auf moralische Gesten und nicht auf das sportliche konzentriert, ist eben kein Erfolgsmodell.
Wir alle spüren es: Die zweite bittere WM-Pleite in Folge und das vorgeschaltete Polit-Theater entfremden die Deutschen von ihrer Nationalmannschaft. Nicht nur liefert Deutschland spielerisch mangelhaft ab – auch der begleitende Moralduktus spaltet das Land. „OneLove“-Binde, Mund-zu-Geste und co. unterstützt die Mehrheit der Deutschen nicht: 54 Prozent sind nicht der Ansicht, dass solche Gesten wichtig sind, wie eine Umfrage von Statista zeigt. Die Binde ist kein Symbol für Offenheit, Toleranz oder Menschenrechte: Sie ist ein Symbol für die Entfremdung der Fußball-Funktionärskaste von dem Sport, den sie vertreten sollen.
Denn DFB-Präsident Neuendorf oder Mannschafts-Manager Bierhoff machen keinen Sport mehr – sie machen Politik. Neuendorf ist SPD-Politiker. Und damit ist er kein Einzelfall: Immer wieder in den letzten 20 Jahren wurden Politiker – Staatssekretäre, Minister, Bundestagsabgeordnete – zum DFB-Präsidenten ernannt. Warum führen Politiker einen Sportverband? Keinem Fußballfan ist zu vermitteln, warum eine sportliche Institution wie der DFB von technokratischen Parteisoldaten geführt wird. Sie verhalten sich wie die Politiker, die sie sind: Sie heuern PR-Agenturen an, die schon die Wahlkämpfe ihrer Parteien managten, und betreiben zeitgeistlichen, politischen Aktivismus. Fußball wird zweitrangig.
Funktionärs-Fußball stört den Sport und vergrault die Fans
Auch in der Bundesliga ist der organisierte Fußball längst zum Störfaktor für den Sport und das Erlebnis Fußball geworden. Ob die umstrittenen Montagsspiele, der Verkauf von Übertragungsrechten an diverse Pay-TV-Anbieter oder der Umgang mit den Fans: Längst haben der DFB und seine Schwesterorganisation DFL auch die Fans in den nationalen Ligen verprellt. 2018 beendete die Vereinigung der Fanszenen in Deutschland den Dialog mit dem DFB. Der Verband nehme die Fans und die Fußballkultur nicht ernst. “Stattdessen manifestierte sich viel mehr der Eindruck, dass der Fußballsport noch weiter seiner sozialen und kulturellen Wurzeln beraubt werden soll, um ihn auf dem Altar der Profitgier von den Verbänden auszunehmen“, kritisierte das Fanbündnis damals. 2022 belegte eine repräsentative Studie, dass zwei Drittel der deutschen Fans die sportliche Fairness der Bundesligen nicht mehr gewährleistet sahen – die Schuld dafür gaben sie vor allem der DFL. Dortmunder und Schalker, Frankfurter und Darmstädter oder Hamburger und Bremer mögen sich im Fußball unversöhnlich gegenüberstehen – aber in der Ablehnung der Fußball-Funktionäre von DFB und DFL sind sie sich alle miteinander einig.
Und man spürt die Folgen: Euphorie für das Turnier war gar nicht wirklich da. Wo ist diese Fußballbegeisterung, mit der Sie, ich – wir alle – großgeworden sind? Ob die Weltmeisterschaft 2014, das „Sommermärchen“ 2006, der Titel 1990: Jeder von uns hat erlebt, wie die Liebe der Deutschen zum Fußball aussehen kann. Wo ist sie, diese Liebe zu unserer Nationalmannschaft? Sie fehlt nicht nur wegen der Umstände des Skandal-Turniers in Katar – sondern schon seit Jahren. Jahre, in denen der DFB keine Erfolge mehr geliefert und die deutschen Fußballfans verprellt, aber sich dafür umso mehr in politische Propaganda vertieft hat. Eine Mannschaft, die sich auf moralische Gesten und nicht auf das sportliche konzentriert, ist eben kein Erfolgsmodell. 2006 bewunderte uns die Welt für unsere Liebe zum Fußball: 2022 werden wir international für unser Versagen und unsere billigen Moral-Darstellungen verlacht. Im Fernsehen des Gastgeberlandes verabschiedete man uns mit höhnischem Abeschiedswinken, die Hand spöttisch vor den Mund gehalten. 1:0 Katar.
Spieler und Fans haben besseres verdient: Eine Mannschaft, die begeistert
Mir tut das nicht nur für die Fußballnation Deutschland, sondern vor allem für die jungen, hungrigen Spieler leid; Spieler wie Jamal Musiala, Joshua Kimmich oder Antonio Rüdiger, die auch endlich für die Mannschaft, das Land und ihre Karriere Erfolge erzielen wollen. „Wir wollen Fußball spielen, wir wollen das nicht machen“, sagten Rüdiger und Gündogan angeblich zum Polit-Zirkus, der sich um sie herum auf Betreiben der Mannschaftsspitze entfaltete. Wie viele Spieler wollten sie den Fokus, wie Joshua Kimmich auch öffentlich sagte, auf ihren Job richten.
Stattdessen werden sie politisch instrumentalisiert: Vom Verband, von PR-Geiern wie Leon Goretzka oder von einem Manuel Neuer, der sich, mit Titeln gut versorgt, mindestens im Herbst seiner Karriere befindet. Das ist Schade für die Spieler – und Schade für uns alle. Die deutschen Fans und die meisten unserer Nationalspieler wollen eine DFB-Elf mit Freude am Spiel – und keinen „Die Mannschaft“-Zeitgeistzombie, der nur noch für den Weltmeistertitel im Moralisieren ernsthaft antritt.
„Bundestrainer“ – das war mal eine Institution mit mehr Strahlkraft als der Bundespräsident. Wer sind schon Christian Wulff oder Frank-Walter Steinmeier im Vergleich zu dem, was Joachim Löw Anfang der 2010er war? Was waren Phillip Lahm, Bastian Schweinsteiger und ja, auch Manuel Neuer einst für nationale Identifikationsfiguren? Doch diese Bewunderung für und Identifikation mit Bundestrainer und Nationalmannschaft ist Geschichte – und wird es mit dieser Verbandsführung auch bleiben. Nur wenn Bierhoff, Neuendorf und all die anderen DFB-Bürokraten weg sind und statt PR wieder Profifußball im Vordergrund steht, kann der deutsche Fußball wieder das tun, was er eigentlich am besten kann: Verzaubern und begeistern.