
Es ist Deutschlands berühmtestes Handwerk, das wofür dieses Land im Ausland bekannt ist: Deutsches Brot. Seit 2014 wurde es sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Doch jetzt stapeln sich die Meldungen aus den Lokalzeitungen: Traditionsbäckereien, Backmanufakturen, Familienbetriebe brechen zunehmend unter Stromrechnungen und Rohstoffpreisen zusammen. Ein Betrieb nach dem anderen muss schließen oder Insolvenzen anmelden.
Dörfer können bald ohne einen echten Bäcker dastehen.
pleiteticker.de möchte den Schicksalen, die es sonst maximal in die Lokalzeitung schaffen, eine Bühne geben:
Es ist mehr als nur eine Bäckerei, es ist ein Stück Gemeinschaft. Ein Teil dessen, was man im Deutschen „Dorfromantik“ nennt.
Diesen Satz kann man den meisten der Bäckereien geben, die in der aktuellen Krise einknicken. Allein in den letzten Tagen mussten diese Bäckereien schließen.
OBER-BREIDENBACH: Die Bäckerei von Rita und Rolf im hessischen Ober-Breidenbach war die Anlaufstelle für die Menschen in der Region. Dabei war es egal, ob man Brötchen, Brot, Kuchen, eine Zeitung, ein Pfund Kaffee oder nur ein offenes Ohr brauchte.
Die Schließung der Bäckerei sitzt besonders tief, denn die Bäckerei war nicht nur Umschlagplatz für Backwaren, sondern auch allerlei Neuigkeiten und Tratsch. Gegründet wurde die Bäckerei von Rolfs Eltern Sepp und Waltraud. 63 Jahre ist das her. Rita und Wolf erzählen bei ihrer Abschiedsfeier von dem anfänglichen Trubel und schwelgen mit der Dorfgemeinschaft in Erinnerungen. So geht eine Ära für Ober-Breidenbach und die gesamte Region zu Ende.
KÖLN: Doch nicht nur auf dem Land gehen Bäckereien verloren: Auch in Köln macht nach 29 Jahren eine Bäckerei ihre Türen zu. Wegen explodierenden Energiekosten musste die Bäckerei von Else Sickau und ihrer Schwester in Heisterbacherrott in Königswinter bei Köln an diesem Wochenende schließen.
Der General-Anzeiger berichtet über die Reaktionen der Kunden. Diese seien „traurig und geschockt“: „Für mich persönlich der größte Verlust für den Ort. Danke für die vielen Jahre“, äußert sich ein Anwohner in der Facebook-Gruppe des Ortes.
Else Sickau, die Besitzerin der Bäckerei, spricht davon, dass sie und ihre Schwester die Arbeit körperlich nicht mehr schaffen. Doch die Explosion der Energie-Preise sei das I- Tüpfelchen für ihre Entscheidung gewesen, die Bäckerei zu schließen. Mit dem Geschäft verschwindet auch eine günstige Einkaufsmöglichkeit für die Anwohner: Ein großes Brot kostete um die 2,50 Euro.
GEVELSBERG: Auch im Rheinland gehen Bäckereien verloren: Beinahe seit 20 Jahren hatte die Bäckerei von Rainer Wolowitz in Gevelsberg geöffnet, doch am 29. Oktober ist hier Schluss.
„Ich habe diesen Beruf immer gerne gemacht“, berichtet er gegenüber der Westfalenpost. Als guter Bäcker hat er einen Draht zu seinen Kunden, er weiß genau „wer wann kommt und was derjenige bekommt“.
Doch nach ausbleiben Corona-Hilfen gaben ihm nun Energiekrise und Wareneinkaufspreise den Rest. Zwar hat er die Preise erhöht, allerdings bleibt deswegen auch Kundschaft aus. „Wenn das Stück Kuchen zwei Euro kostet, überlegt man sich das“. Geld verdient er keines mehr, stattdessen zahlt er monatlich drauf um die Bäckerei offen zu halten.
Auch er tritt nun zurück.
DAUN: Auch in Daun gibt es bald keine Brötchen mehr. Nach beinahe 45 Jahren gibt es für die Eifeler Stadt Daun keine frisch selbst gebackenen Brötchen mehr: Die Backmanufaktur Thul schließt. Bisher versorgte sie Daun mit echten, handgebackenen Broten, Brötchen und mehr. Seit seinem 15. Lebensjahr stand Hans-Joachim Thul in der Bäckerei, jetzt kommt der Ruhestand. „Planungssicherheit ist derzeit unmöglich.“, sagt der Bäckereibesitzer der Rheinischen Post.
SINZINGER: Der älteste Betrieb der dieses Wochenende sein Aus bekannt gab ist über 400 Jahre alt: Die Bäckerei Sinzinger aus Otterskirchen bei Passau in Niederbayern hat den Dreißigjährigen Krieg, Napoleon und zwei Weltkriege überlebt – die aktuelle Energiekrise nicht. 1591 erhielt das Unternehmen sein Bäckerrecht. Jetzt muss die 430 Jahre alte Familienbäckerei zu Februar 2023 alle seine neun Filialen schließen. Grund sind die gestiegenen Energiepreise. „Mit den ganzen steigenden Energiepreisen- und Rohstoffkosten können wir den Betrieb nicht einfach weiterführen“ sagte Bäckermeister Klaus Wagner gegenüber der Welt. Den aktuellen Herausforderungen sah man sich nicht mehr gewachsen.
Jetzt stehen 70 Mitarbeiter vor der Arbeitslosigkeit Die Öfen gehen aus. Ein Schock für Mitarbeiter und Kunden.
WEIMAR: Und auch vor prämierten Backstuben macht die Krise nicht halt: Die Kunden von Uwe Buczeks Bäckerei beschwören, dass es sich bei seinem Brot um das „beste der Welt“ handelt, er ist Innungsobermeister.
Neben dem kleinen duftenden Laden in Weimar, den er liebevoll und erfolgreich betrieben hat, tat er sich als Obermeister seiner örtlichen Bäckerinnung Mittelthüringen hervor – Uwe Buczek ist eine Erfolgsgeschichte unter den Bäckern gewesen. Doch die Energiepreise und steigenden Kosten brachte auch ihn zur Geschäftsaufgabe.
KALTENKIRCHEN: Die Landbäckerei Vogt aus Kaltenkirchen ist und war ein belebtes Geschäft. Und trotzdem muss die Bäckerei, die seit 127 Jahren von der Familie Vogt geführt jetzt schließen. Personalmangel und die horrenden Energiekosten haben die beliebte Bäckerei in die Knie gezwungen.
„Dass wir die Bäckerei schließen, ist ein ganz komisches Gefühl. Wenn wir ab Dezember nicht mehr jeden Tag in unserem Laden stehen, müssen wir erst einmal lernen, damit klarzukommen.“ sagt das Ehepaar Vogt gegenüber den Kieler Nachrichten.
Das Bild, dass sich zeichnet könnte klarer nicht sein: Im ganzen Land stirbt das Bäckereihandwerk, das Handwerk, für das wir weltweit berühmt sind. Doch das Land der Bäcker droht bald kaum noch Bäcker zu haben.