
Angeblich wurde ein Staatsstreich verhindert: So liest sich die Medienberichterstattung über die Mega-Razzia vom vergangenen Mittwoch. Doch wieso gehen Infos über eine geheime Sonderoperation schon Wochen vorher durch die Hände von Journalisten? Diese Razzia, so scheint es, legte viel Wert auf PR-Effekte.
Wenn Sie an die Eliteeinheit der deutschen Polizei, die GSG9 denken – welche Einsätze kommen Ihnen da in den Sinn? Vielleicht denken Sie an die berühmte Geiselbefreiung in Mogadischu, als die Elite-Polizisten das Flugzeug „Landshut“ stürmten und alle Geiseln auf den Fängen von palästinensischen Terroristen retteten. Doch das ist, wenn man den Medienberichten der letzten Tage glauben schenkt, nun fast nur noch eine Fußnote in der Geschichte. Denn am vergangenen Mittwoch haben die Beamten der GSG9, so heißt es, nichts geringeres als einen Staatsstreich verhindert.
Eine Gruppe von „Reichsbürgern“, so heißt es, soll den Umsturz geplant haben – deswegen mussten mehr 3.000 Beamten in mehreren Bundesländern aktiv werden. In der Geheimoperation „Schatten“ nahmen Polizei, SEK und GSG9 25 Personen fest. Sie verfügen teilweise über militärische Ausbildung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser spricht von einem „Abgrund terroristischer Bedrohung“. Die Geschichte klingt wie aus einem Groschenroman, einem Kriminal-Thriller.
Vorweg: Wer Straftaten begeht oder vorbereitet, gehört mit den Mitteln des Rechtsstaats verfolgt und dingfest gemacht. Das ist unstrittig – und deshalb auch nicht Thema dieses Textes. Doch vieles rund um die Polizeiaktion wirft fragen auf: Angefangen mit der bemerkenswert hohen Medienpräsenz. Die größte Polizeiaktion in der Geschichte der Bundesrepublik wurde auf bemerkenswerte Weise von Medien vor Ort begleitet: In Berlin, Baden-Württemberg oder Thüringen berichteten Medien teilweise direkt vor Ort von den Festnahmen – was bei einer Geheimoperation, die dazu noch einen so geheimnisvollen Namen wie „Schatten“ trägt, doch verwundert. Sollten die Behörden beim Schlag gegen eine Putschistengruppe nicht auf Geheimhaltung setzen? Im Normalfall werden die Pläne für Durchsuchungen lediglich an eine Handvoll Journalisten durchgestochen, die sich in ihrer Arbeit explizit mit Sicherheitsthemen auseinandersetzen. Wie der Tagesspiegel berichtet, war die Razzia jedoch letzte Woche im Buschfunk des politischen Berlins bekannt. Am Dienstagabend, wenige Stunden vor dem deutschlandweiten Polizeieinsatz, meldeten sich sogar vereinzelt Journalisten über Twitter, die in kryptischen Posts die anstehende Durchsuchung andeuteten. So kündigte ein Redakteur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zahlreiche „Exklusiv-Meldungen“ für den morgigen Tag über den Kurznachrichtendienst an: Eindeutiger Hinweis, dass er und viele andere Journalisten längst über die anstehende Aktion informiert waren.
Scheinbar waren Informationen über die „Jahrhundert-Razzia“ bis zu den Beschuldigten selbst durchgesickert. Maximilian Eder ist KSK-Oberst außer Dienst und gehörte, so heißt es, zum „militärischen Arm“ der Reichsbürger-Truppe. Er soll sich nach Angaben einer Nachbarin aus dem kroatischen Split bei ihr gemeldet haben: „Es kann sein, dass die Polizei nächste Woche kommt“, soll Eder gesagt haben. Selbst der Gesuchte war also offenbar informiert – was den skurrilen Abläufen die Krone aufsetzt.
Der Eindruck drängt sich auf, dass diese Polizei-Aktion – so richtig sie in der Sache zweifellos sein mag – auch als PR-Stunt inszeniert wurde. Wer ernsthaft glaubt, einen Putsch zu verhindern, lädt nicht die Presse zur Razzia ein. Wer wirklich glaubt, ein gefährliches Terror-Netzwerk auszuheben, sticht keine Informationen an Politiker und Journalisten durch. Was war den Behörden wichtiger: Die Razzia – oder die Berichterstattung darüber? Letztere war, so oft, wie man die Worte „Putschversuch“ und „Staatsstreich“ in den Medien lesen konnte, sicherlich zufriedenstellend für die Innenministerin und die Verantwortlichen. Gut, dass die irre Truppe in Gewahrsam ist – den nächsten „Putschversuch“ verhindern wir dann bitte wieder mit der angemessenen Geheimhaltung.