Mittwochabend war Donald Trump, Ex-Präsident und wieder Bewerber um das Amt im Weißen Haus, zu Gast bei CNN – und zeigte seinen Gegnern, dass er es noch draufhat.
Nachdem Trump seit seinem skandalträchtigen Ausscheiden aus dem Amt von vielen Medien eher gemieden wurde, ließ sich CNN – hungrig nach höheren Einschaltquoten – dann doch darauf ein und lud ihn zu sich ein. Zu sehr hatte man die Ratings vermisst, das zeigte schon die Trump-Berichterstattung der letzten Wochen, als CNN jede Minute live übertrug, wie der Ex-Präsident von einem Rollfeld nahe Mar-a-Lago flog, um nach New York zu seinem Gerichtstermin zu kommen.
Um mit sich selbst ins Reine zu kommen, war jetzt schon klar, dass es aggressive Fragen gegen ihn geben würde – die bügelte der Ex-Präsident aber gekonnt weg, ohne dass er dabei auch nur einen Fehler bei seinen größten Skandalen eingestehen musste. Das Publikum feuerte ihn dabei geradezu an.
Selbst die kontroversesten Themen wurden zum Heimspiel
Gleich die erste Frage drehte sich um Tumps wohl kontroversesten Aussagen: Die Behauptungen über Wahlbetrug. Ob Präsident Biden die letzte Wahl gewonnen hätte, fragt Modertorin Kaitlin Collins. Die klare Antwort von Trump: Nein. Und er hatte gleich eine Reihe von Erklärungen in petto, warum ihm der Sieg gestohlen worden wäre. Er erinnerte an die Unterdrückung der „Hunter Biden Story“, die 50 ehemalige Geheimdienstler fälschlicherweise als russische Fake-News darstellten. Gleichzeitig trumpfte Trump auch mit waghalsigen Behauptungen über „Millionen“ illegale Stimmzettel auf.
Aber Trump stellte sich bei all dem geschickt an. Er verrannte sich nicht in seinen Verschwörungstheorien der Vergangenheit, sondern bezog das ganze recht schnell auf das, worauf es ankommt: Joe Biden ist Präsident, die Wirtschaft in der Krise, Krieg am Horizont. Und unter ihm, Trump, war alles besser.
Es dauerte nicht lange, bis selbst seine größten Gegner sahen, wer hier gerade die Hoheit über die Debatte übernimmt. Die US-Linken-Ikone Alexandria Ocasio-Cortez twitterte noch während der Sendung: „CNN sollte sich schämen. Sie haben vollständig die Kontrolle über diese ,Townhall‘ verloren und lassen sich erneut manipulieren.“
Der Moderatorin gefiel all dies sichtlich nicht. Immer und immer wieder erklärte sie, dass Biden rechtmäßig gewählt wurde und wie falsch Trumps Theorien sind – dieses krampfhafte Niederpreschen auf ihn half ihr aber kaum, im Gegenteil, es gab ihm nur noch mehr Chancen sie abzukanzeln. Und auch bei dem nächsten kontroversen Thema wurde es nicht besser: Der Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021.
Hier hatte Trump seine Hausaufgaben gemacht und hatte gleich eine ganze Liste an Tweets und Aussagen dabei in denen er seine Anhänger zuvor aufgefordert hatte friedlich zu bleiben. Nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er jetzt auf seiner eigenen Plattform „Truth Social“ sei, ließ er ihr Tweet nach Tweet vor, wo er seine Fans aufrief, die Polizei zu respektieren und friedlich zu bleiben. Man schaut CNN, und es ist Trump der die Moderatorin factcheckt. Und das nicht ohne „Crazy Nancy“, die damalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi von den Demokraten, dafür zu attackieren, dass sie für das Sicherheitsdebakel an dem Tag verantwortlich wäre.
CNN machte Trump zum Verbündeten des Publikums
An all dem sieht man auch, wie sehr die Townhall eine CNN-Veranstaltung war: Die Fragen und die Art der Fragestellung von der Moderatorin hatten, gerade zu Beginn, vor allem damit zu tun, was für CNNs Zielgruppe die wichtigsten Themen sind, nicht was die wichtigsten Themen für republikanische Wähler sind. Dabei geht es genau um sie: Trump steht am Anfang des Vorwahlkampfes bei dem er um Stimmen nur aus seinem Lager, von dem Republikanern kämpft. CNN half ihm hier und lieferte eine Attacke mit Themen, die die meisten Republikaner kaum interessieren. Es sind Dinge, von denen jeder Republikaner weiß, dass es Herzensthemen der Demokraten sind. Und Trump bügelte all das ab. Fragen zu den Hauptkritikpunkten seiner republikanischen Konkurrenten gab es kaum. Stattdessen vor allem CNN „Talking Points“.
So kam eine einfache Dynamik für die Wähler auf: CNN-Moderatorin Collins ist der Gegner, Trump der Verbündete, das Publikum begeistert. Was CNN auch nutzen wollte, um ihn an die Wand zu nageln, machte Trump zum Heimspiel. Was viele Journalisten und auch viele seiner Gegner nicht verstehen: Trump ist nicht der Rüpel, der in den Debattenclub gestolpert ist, er ist der Showmaster, der sein Publikum begeistert, während er seine Gegner wie Nerds aussehen lässt.
Gefragt dazu, was er den an Tag 1 als 47. Präsident der USA tun werde, um die steigenden Preise im Alltag zum Fallen zu bringen, antworten er knapp und simpel: „Drill, baby, drill!“ (zu dt. „Bohr, Baby, Bohr!“). Mehr Öl bohren, was sich Biden weigert. Und dann noch der Verweis darauf, dass die USA unter ihm energieunabhängig waren – und damit ihr Öl selbst bekamen, ohne von Russland und Co. abhängig zu sein. Aber das ist keine Antwort, die ein üblicher Politiker gibt. So etwas sagt ein Entertainer. Und genau in dieser Rolle fühlt sich Trump in solchen Debatten wohl.
Als die Moderatorin ihn zu seiner jüngsten Verurteilung wegen sexuellem Missbrauch ins Kreuzverhör nehmen wollte, machte er daraus eine Comedy-Einlage: Die Beschuldigerin sei ja gar nicht attraktiv gewesen, und überhaupt wieso in einer Umkleidekabine gehen, wenn sein Hotel direkt daneben sei? Das Gelächter aus dem Publikum war ihm sicher.
Klar, hier würden jetzt die allermeisten sagen: Das geht nicht. Widerlich. Er verhöhnt eine Frau, die zumindest nach Urteil der New Yorker Geschworenen, von ihm missbraucht wurde. Aber darum geht es nicht. Trump macht Politik nicht auf so einer Ebene. Er spricht seine Anhänger, seine Wähler ganz anders an.
Und das verstehen zu viele seiner Gegner in Politik und Medien eben nicht. Er schafft eine emotionale Bindung mit den Wählern herzustellen, als „einer von uns“, selbst wenn er Millionär ist. Gerade weil er in den Krieg zieht mit dem Establishment – selbst wenn er in seiner Partei schon das Establishment ist. Aber mit den Eliten, die eben Washington und vor allem aber Medien und Hollywood dominieren, steht er auf Kriegsfuß.
Trump spielt auf einer ganz eigenen Ebene
Die Ebene nach dem Motto „Unterstützen Sie Aussage/Politik x,y?“ die spielt er überhaupt nicht. Exemplarisch zeigte sich das bei Fragen zum Thema Anhebung der Schuldenobergrenze. Da meinte er Republikaner sollten zur Not das Risiko eingehen, dass die US-Regierung bankrott geht. Angesprochen auf den Widerspruch, dass er als Präsident genau solche Gedankenspiele verurteilte, antwortete er grinsend: „Nun jetzt bin ich nicht Präsident.“
Hat er damit einen Wähler verloren? Wohl keinen Einzigen. Er ist eher sympathische geworden. Klar ist, mit seiner Art hat er sich viele Feinde aber auch viele Fans gemacht. Viele hassen ihn, viele lieben ihn. Keinen seiner Hasser wird er damit überzeugen, aber mit dem Auftritt vom Mittwoch wird er wohl den ein oder anderen seiner ehemaligen Anhänger zurückgewinnen, die ihn abgeschrieben hatten, zurückgewinnen.
Es war keineswegs so, dass er keine Angriffsfläche biet. Die Townhall war voll von kompromissloser Verteidigung seiner größten Skandale. Sätze wie „Der 6. Januar war ein wunderschöner Tag“ dürften ihm in brutalen Attack Ads der Demokraten wieder begegnen.
Aber die Wähler in der Mitte, die muss er auch aktuell gar nicht überzeugen. Aktuell dreht sich alles um sein eigenes Lager. Und die emotionale Bindung mit den republikanischen Wählern, die er gerade nach den eher enttäuschenden Ergebnissen seiner handverlesenen Kandidaten bei den Zwischenwahlen 2022 verloren hatte, ist in großen Teilen wieder da.
Um konkurrenzfähig zu werden, wird es für seine Rivalen allerhöchste Zeit nicht nur offiziell ins Rennen zu springen (gerade für Noch-nicht-Kandidat DeSantis), sondern auch eine ähnliche, tiefere Verbindung mit den Wählern aufzubauen, wie es Trump eben geschafft hat.
Klar ist: Das Phänomen Trump ist zurück. Bis zum Weißen Haus ist es aber noch ein langer Weg. Ob er die moderaten Wähler überzeugen kann, wenn es 2024 eine Neuauflage von Biden vs. Trump gibt, mag fraglich sein. Aber eins steht nach all den Jahren fest: Donald Trump sollte man nicht unterschätzen.