Von der Nichtzulassung der AfD und dem Linkskurs der CDU in Bremen profitieren die „Bürger in Wut“. Die regionale Wählervereinigung könnte zweistellig in die bremische Bürgerschaft einziehen.
„Messerstecher konsequent ausweisen!“ „Jugendbanden sofort bestrafen!“ „Autofahren darf kein Luxus sein!“ Ein einfacher Satz mit Ausrufezeichen, den die allermeisten wohl so unterschreiben würden: Die Wahlkampagne der „Bürger in Wut“ ist simpel. Aber offenbar gut genug, um die Partei am kommenden Sonntag mit einem Spitzenerfolg in die bremische Bürgerschaft zu tragen. Bei der Landtagswahl im kleinsten Bundesland winkt den „Bürgern in Wut“ ihr bisher bestes Ergebnis.
Die Wählervereinigung, die mal als bürgerlich-konservativ, mal als rechtspopulistisch bezeichnet wird, profitiert zweifelsohne vom Nichtantritt der AfD in Bremen. Weil der seit Jahren heillos zerstrittene AfD-Landesverband zwei konkurrierende Listen eingereicht hat, lässt die Landeswahlleitung die Partei nicht zur Wahl zu. Finanziell profitieren die „Bürger in Wut“ auch von der Kooperation mit der jungen Kleinpartei „Bündnis Deutschland“, die den Wahlkampf mit einer sechsstelligen Summe unterstützt.
Trotz aller Vorwürfe des Rechtspopulismus: Nach Rechtsaußen grenzen sich die „Bürger in Wut“ konsequent ab. Ein BIW-Kandidat, der in der Vergangenheit nachweislich an rechtsextremen Demonstrationen teilnahm, wurde sofort aus der Partei geschmissen. „Für extremistisches Gedankengut ist in der Wählervereinigung Bürger in Wut kein Platz“, erklärte der Vorsitzende Jan Timke. Er ist Gründer und Gesicht von „Bürger in Wut“ und führt die Vereinigung seit über 20 Jahren.
Vom Polizisten zum Politiker: BIW-Chef Jan Timke
Timke, Jahrgang 1971, wurde im niedersächsischen Hoya geboren und wuchs im Weserland auf. Nach der Realschule begann er seine Polizei-Karriere beim damaligen Bundesgrenzschutz. Seinen Dienst leistete er unter anderem in den 90ern an der deutsch-polnischen Grenze, wo er unter anderem in einer Spezialeinheit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität arbeitete.Später wurde er Personenschützer beim Bundeskriminalamt. Seine politische Karriere begann zunächst bei der kleinen Statt-Partei, die später in der Schill-Partei aufging. Timke war Chef des Bremer Schill-Ablegers.
2004 wurde aus der Bremer Schill-Partei die Wählervereinigung „Bürger in Wut“, die seit 2007 bei jeder Bürgerschaftswahl antrat. Timke ist ihr Chef. Er wohnt in Bremerhaven – der Stadt, die die die Erfolgsbasis für die Wählervereinigung bildet. Aufgrund einer Besonderheit des bremischen Wahlrechts reichen fünf Prozent der Stimmen in Bremerhaven alleine, um einen Sitz in der bremischen Bürgerschaft, dem Landtag, zu bekommen. In „Stadtbremen“ konnten die Bürger in Wut bisher keine nennenswerten Erfolge verzeichnen.
Das soll sich nun ändern. Das ZDF-Politbarometer prognostiziert den Bürgern in Wut 10 Prozent bei der Bürgerschaftswahl am Sonntag, das Umfrageinstitut Insa sieht die BIW immerhin bei acht Prozent. „Für den Wahlbereich Bremen rechnen wir mit mindestens acht Prozent und für den Wahlbereich Bremerhaven mit zwölf Prozent der Wählerstimmen“, gab Parteigründer Timke im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur das Wahlziel aus. Damit zögen die „Bürger in Wut“ erstmals in Fraktionsstärke in das Haus der Bürgerschaft am Bremer Markt ein. Bei der letzten Bürgerschaftswahl erhielten sie im Land Bremen nur 2,4 Prozent.
Was wollen die „Bürger in Wut“?
Das Wahlprogramm der BIW ist durch und durch konservativ. Es beinhaltet unter anderem die Forderung nach mehr Polizeipräsenz und der Schaffung einer „Freiwilligen Sicherheitswacht“ aus geeigneten und zuverlässigen Bürgern. Diese soll quasi als Bürgerpatrouille dienen, um die staatliche Präsenz in der Öffentlichkeit zu verstärken. Die Gruppe „Bürger in Wut“ spricht sich zudem für eine Null-Toleranz-Politik in Bezug auf „weiche“ Drogen wie Marihuana aus und plädiert für die Abschaffung der Hundesteuer. Des Weiteren sollten legalen Waffenbesitzern und Sportschützen nach Ansicht der Partei weniger Kontrollen auferlegt werden, um sie nicht unnötig zu belästigen. Stattdessen sollten Strafverfolgungsbehörden ihre Bemühungen darauf richten, den illegalen Besitz von Schuss- und Stichwaffen stärker zu bekämpfen.
In der Bildungspolitik spricht sich die Partei für eine Rückkehr zum gegliederten Schulsystem – Hauptschule, Realschule, Gymnasium – aus und fordert, dass die Lehrer künftig auch wieder sogenannte Kopfnoten für Mitarbeit, Betragen und soziales Verhalten vergeben. Die inklusive Beschulung von Kindern mit Defiziten oder Beeinträchtigungen lehnen „Bürger in Wut“ ab, sprechen sich für die Wiedereinführung der Sonderschule aus. Schüler sollen außerdem nach Willen der Partei künftig eine einheitliche Schulkleidung tragen.
Die BIW schaffen, woran die CDU scheitert
Die AfD steht nicht auf dem Wahlzettel – aber auch die Schwäche einer anderen Partei spielt den „Bürgern in Wut“ in die Karten. Die CDU, die bei der vergangenen Bürgerschaftswahl noch stärkste Kraft wurde, schwächelt. Dem beliebten SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte setzen die Christdemokraten in der Hansestadt ein blasses Führungsduo entgegen.
Das „Tandem“, wie es heißt, bestehend aus Frank Imhoff und Wiebke Winter. Imhoff ist altgedienter Parlamentarier und aktuell Präsident der bremischen Bürgerschaft. Winter ist Gesicht der parteilinken „Klimaunion“ und steht für eine CDU, die sich vor allem grünen Standpunkten annähert. Die Jungpolitikerin wirbt mit Feminismus und grüner Klimapolitik. Sie soll wohl die Brücke für eine Koalition mit den Grünen sein. Konservative Wähler spricht der Wahlkampf der CDU hingegen nicht wirklich an. Und auch eine Wechselstimmung, die die CDU 2019 mit Erfolg in der Stadt erzeugte, kommt mit Imhoff und Winter nicht wirklich auf. Viele werden in den BIW eine Alternative sehen. Die Bürger in Wut schaffen, was die CDU nicht schaffen möchte: Sich als Bürgerlich-Konservative Kraft zu profilieren. Das zu erwartende, starke Ergebnis am Sonntag dürfte die Quittung für diese Leistung sein.