
Der Frauenproteste im Iran sind auch eine Rebellion gegen das deutsche Kopftuchverbot im Staatsdienst, meinen die Berliner Grünen. Sie verharmlosen damit nicht nur die Scharia, sie offenbaren auch ihr fragliches Verständnis von der Selbstbestimmung der Frau.
Kopftuchtragen ist Ausdruck weiblicher Selbstbestimmung – das meint zumindest die Berliner Grünen-Fraktion. Auf Twitter hat sie am Sonntag einen taz-Interview mit der Berliner Grünen-Politikerin Tuba Bozkurt geteilt, in dem sie sich für eine Aufhebung des Kopftuchverbots im Öffentlichen Dienst ausspricht. Das Absurde dabei: Bozkurt zieht für ihre Argumentation die Iran-Proteste heran. Sie erklärt: „Die Frauen im Iran haben unfassbaren Mut. Sie kämpfen für die Freiheit der Frau. Selbstbestimmt sollten Frauen auch hier sein. Wenn sie freiwillig Kopftuch tragen wollen, sollen sie auch ihrem Beruf als Lehrerin nachgehen können.“
Laut der Grünen-Politikerin gehe es sowohl im Iran als auch in der deutschen Kopftuch-Debatte um die „Selbstbestimmung der Frau gegenüber dem Staat“. Im modernen Feminismus, so Bozkurt, würden sich Frauen schließlich dafür einsetzen, dass andere Frauen selbst entscheiden können, „wie viel oder wenig sie tragen wollen“.
Bozkurt vergleicht – mal ganz nebenbei – das iranische Regime, das bereits bei der Niederschlagung der aktuellen Proteste 416 Personen getötet hat, mit dem demokratischen Deutschland. Doch nicht nur das: Sie spricht dem Kopftuch selbst jeden Unterdrückungscharakter ab. Unterdrücker sei der Staat, der den Frauen vorschreiben wolle, was sie zu tragen haben – nicht die muslimische Scharia, die Frauen zwingt, sich unter Tüchern zu verstecken, um nicht zu viel sexuelle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Grünen-Politikerin müsste es eigentlich besser wissen – schließlich hat sich als Tochter türkischer Einwanderer selbst 20 Jahre Kopftuch getragen, bevor sie es ablegte. Im Interview mit der taz beschrieb sie, wie es war, das Kopftuch abzulegen: „Ich wurde gesehen. Als Frau! Vorher war ich ein sexuelles Neutrum.“
Die Frauen im Iran wollen kein sexuelles Neutrum mehr sein. Sie wollen gesehen werden – in der Öffentlichkeit, nicht nur zuhause. Doch die Grünen sehen darin offenbar keinen Wert.