Anspannung statt ausgelassener Party, verfolgte Blicke statt gelöster Stimmung: Für unsere Reportage „Die Gesetzlosen” habe ich an Silvester in Düsseldorf mit Frauen gesprochen, die sich in den Menschenmengen sichtlich unwohl fühlten. Oft war es kaum möglich, ins Gespräch zu kommen. Immer wieder bedrängten uns junge Männer, störten die Unterhaltungen, berührten die Frauen teils bewusst beiläufig, teils offensiv.
Hemmungslose, distanzlose, respektlose Männer, die meisten von ihnen mit Migrationshintergrund. Der gesellschaftliche Konsens, Frauen nicht ungefragt anzufassen, schien an diesem Abend außer Kraft gesetzt. Mit ihrer Distanzlosigkeit machten es die Männer den Frauen unmöglich, unbeschwert zu feiern. “Man weiß als Frau nicht, was passiert”, beklagte sich eine. “Deshalb ist es gut, dass die Polizei hier so präsent ist. Man fühlt sich ein bisschen beschützter. ” Zwei junge Frauen erzählten mir, sie würden sich extrem unwohl fühlen, man habe bereits versucht, sie mit einem Böller abzuschießen. Auf meine Frage, ob sie sich beschützt fühlten, antworteten beide gleichzeitig mit einem klaren “Nein”.
Seit den sexuellen Übergriffen an Silvester 2015 auf der Kölner Domplatte haben sich Feiern auf öffentlichen Plätzen verändert: Frauen ziehen sich zunehmend in den geschützten privaten Raum zurück, starten bei Raclette, Gesellschaftsspielen und Privatpartys ins neue Jahr, anstatt sich in der Öffentlichkeit zu treffen.
Das sollten wir nicht länger hinnehmen! Zu Recht legen wir großen Wert darauf, Minderheiten zu schützen. Homosexuelle, Menschen mit körperlicher Einschränkung, religiöse Minderheiten, Asylsuchende: Dass sie in bestimmten Situationen vor Übergriffen geschützt werden müssen, ist im Bewusstsein aller angekommen.
Doch wenn das Prädikat “schützenswert” sich allein nach der Zugehörigkeit zu einer Minderheit bemisst, verlieren wir aus den Augen, dass ein großer Teil unserer Gesellschaft – Frauen – sich im öffentlichen Raum immer weniger sicher fühlt.
Die Politik sollte diesen Missstand endlich offen ansprechen und Lösungen finden. Andernfalls werden wir Frauen unsere Freiheit immer mehr zugunsten unserer Sicherheit opfern (müssen).