
Von Ralf Schuler.
In der Opposition kämpften die Grünen gegen Lobbyisten, heute werden sie selber welche. Nächste Anwärterin auf einen gut dotierten Posten ist die unlängst zurückgetretene Thüringer Umweltministerin Anja Siegesmund (46, Grüne). Nach Informationen von Pleiteticker.de hat Siegesmund gute Chance, geschäftsführende Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) zu werden.
Der bisherige Amtsinhaber, Berlins früherer Finanzsenator Peter Kurth (CDU) tritt nicht wieder an. Offiziell heißt es im Verband, eine unabhängige Auswahl-Kommission werde bis Ende Mai eine Entscheidung treffen. Jährliche Vergütung: im mittleren sechsstelligen Bereich, heißt es. Hinter den Kulissen gilt die Wahl von Siegesmund als sicher. Sie werde ab 1. Februar eine private Auszeit mit ihrer Familie nehmen, ließ die Ex-Ministerin verlauten und will sich ebenfalls zu ihren Zukunftsplänen nicht äußern. In Kreisen der Thüringer Grünen wird Siegesmund als sehr auf Absicherung orientierte Politikerin beschrieben, bei der ein Amtsverzicht aus Lust und Laune ohne weitere Perspektive undenkbar sei.
Einen zumindest zeitweisen Strich durch die Karriereplanung könnte der Ex-Ministerin allerdings die strenge Karenzzeit-Regelung der Thüringer Landesregierung machen. Demnach kann die zuständige Experten-Kommission nach dem Ausscheiden aus dem Amt bis zu 24 Monate Zwangspause für Politiker verordnen, wenn diese einen Job annehmen wollen, der mit ihrem bisherigen Ressort inhaltlich verbunden ist. Für Siegesmund dürfte es schwierig werden plausibel zu machen, dass Entsorgung und Kreislaufwirtschaft nichts mit ihrem bisherigen Amt als Umweltministerin zu haben.
Wegen des Rücktritts von Siegesmund wurde unlängst auch grüne Justizminister in Thüringen entlassen und durch Doreen Denstädt ersetzt, weil auf die Umweltministerin ein Mann (Bernhard Stengele) folgte und die Geschlechterquote im Kabinett wieder hergestellt werden sollte.
Siegesmund wäre nicht die erste und einzige Grünen-Lobbyistin an der Spitze eines einflussreichen Verbandes oder Konzerns. 2019 wechselte die grüne Bundestagsabgeordnete Kerstin Andrae (54) an die Spitze des Bundesverbands der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW), Saarlands frühere Umweltministerin Simone Peter (57) leitet seit 2018 den Bundesverband Erneuerbare Energien, die Berliner Ex-Senatorin Ramona Pop (45) rückte 2022 zur Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands auf, der frühere Bioland-Chef und Ex-Abteilungsleiter im niedersächsischen Agrarministerium, Thomas Dosch arbeitet heute für den Groß-Schlachter Tönnies und Martin Untersteller, bis 2021 Energieminister in Baden-Württemberg steht heute in Diensten des Mannheimer Energieversorgers MVV RWE.
Wenn’s ums Geld geht gilt auch unter Grünen: Besser haben als brauchen.