
Pleiteticker-Kommentar
Von Sebastian Thormann
In China gehen die Menschen zu tausenden gegen Lockdowns auf die Straße – nun hat die Partei gesprochen: Der Staat müsse „hart durchgreifen“ gegen die „Infiltrations- und Zerstörungsaktivitäten feindlicher Akteure“ und „krimineller Handlungen, die die soziale Ordnung stören“ befahl das Zentrale Komitee für Politik und Recht der KP Chinas in Reaktion auf die Anti-Lockdown-Protestwelle.
Die Repressalien sind schon im vollen Gange: Demonstranten werden festgenommen, Studenten nach Hause geschickt, Proteste verboten und aufgelöst.
Im Westen solidarisiert sich die Öffentlichkeit mit den Protesten. Zurecht bewundern wir den Mut der Chinesen, die sich gegen die autoritäre Staatsmacht der KP stellen, gegen ein System der Unfreiheit und Unterdrückung.
Aber sich für Freiheit einzusetzen, heißt auch Autoritarismus in seinen Anfangsschuhen zu bekämpfen. Und hier müssen wir uns eingestehen: Bei Corona fing es auch bei uns mit chinesischen Methoden an.
Millionen Bürger wurden zuhause eingesperrt, es gab Pauschal-Verbote für „Versammlungen des maßnahmenkritischen Klientels“, friedliche Demos wurden aufgelöst – all das geschah genau hier, mitten in diesem Land. Und die Verantwortlichen haben sich bis heute nicht entschuldigt.
In Bayern etwa, wo die damalige die Ausgangssperre für Millionen Bürger inzwischen sowohl vom Landes- als auch Bundesverwaltungsgericht für illegal erklärt wurde, gibt es keinerlei Einsicht: Die Landesregierung hält daran fest, dass sie „ein wirksames und richtiges Mittel waren“ auch wenn „jetzt rückblickend Gerichte“ dies anders sähen.
Wir sahen Demos, die aufgelöst wurden, Demonstranten, die angegriffen wurden – nicht etwa, weil sie gewalttätig wurden, sondern nur weil sie keine Maske trugen oder den Abstand zum Nebenmann nicht mit dem Zollstock ausgemessen hatten.
Manch ein Politiker feuerte die Polizei sogar geradezu an, Demonstranten mit Schlagstock niederzuprügeln, nicht etwa, weil sie gewalttätig waren, sondern weil sie schlicht die falsche Meinung hatten. Seien es „Corona-Leugner“, „Covidioten“ oder „Querdenker“ für all sie galt: Ihre Haltung zu den Corona-Regeln machte ihre Demos in den Augen des Staates und vieler Medien illegal – bevor sie überhaupt einen ersten Schritt demonstriert oder die erste Parole gerufen hatten.
Und egal wie abgedreht die Demonstranten waren oder was für eine politische Ausrichtung sie vertreten, sie alle haben ein Recht darauf für ihre Meinung aufzustehen. Ein Recht, das neben vielen anderen Freiheitsrechten zu Coronazeiten mit Füßen getreten wurde.
An die noch viel brutalere und vor allem noch diktatorische Politik Chinas kommt das am Ende zwar nicht heran, aber wir haben doch die ersten Ansätze in so eine autoritäre Richtung gesehen. Und das wohlgemerkt angefeuert von vielen aus der politischen und medialen Klasse – und perfider Weise häufig auch noch unter dem Deckmantel der Verteidigung der Demokratie.