Deutschland liefert Leopard-Panzer an die Ukraine. Während manche die Entscheidung feiern, machen sich andere Sorgen um eine Eskalation – und fürchten einen Atomkrieg. Aber ist diese Angst berechtigt? Ja, meint unsere Autorin Emilie Brummel. Nein, widerspricht Max Mannhart.
Ja – ich will da nicht hineingezogen werden!
von Emilie Brummel

Ist es okay Angst zu haben? Ja, es ist vollkommen okay. Historisch gesehen hat es nie etwas Gutes verheißen, wenn deutsche Panzer Richtung Osten gerollt sind.
Nun liefert Deutschland mindestens eine Kompanie, also 14 Leopard 2-Panzer an die Ukraine und erlaubt die Ausfuhr derselben aus Drittstaaten. Medial wird fast ausschließlich über das Auftreten von Olaf Scholz berichtet. Die einen loben ihn für seine jetzige Entscheidung. Die anderen kritisieren sein langes Zögern.
Dabei ist nicht das Zögern das Problem. Eine solch weitreichende Entscheidung sollte niemals leichtfertig getroffen werden. In Washington ärgerte man sich über Scholz‘ Bedingung, nur zu liefern, wenn auch die USA Abrams-Panzer schickten und beteuerte, so kurzfristig sei das nicht möglich. Dass der Kanzler abwartete, auf die USA wartete, ist mehr als verständlich. Washington ist weit weg von Kiew. Berlin liegt 1200 km Luftlinie entfernt. Oder sagen wir, nah dran. Und wenn es tatsächlich zu einer Eskalation kommt, möchte kein Staatschef allein dafür verantwortlich sein
Welche Auswirkungen hat die Panzerlieferung auf Deutschland?
Das wahre Problem ist also nicht das Zaudern, sondern: Das Gros der Bürger dieses Landes interessiert sich nicht für die außenpolitische Performance des Kanzlers. Sie wollen wissen: Was hat die Panzerlieferung mit meinem Leben zu tun? Sind wir nun Kriegspartei und provozieren gar einen Atomkrieg? Wirft Putin vielleicht irgendwann eine radioaktive Bombe über Berlin ab?
Natürlich ist es müßig, über die Zukunft zu spekulieren. Keiner kann vorhersehen, wie der russische Präsident reagiert. Er ist unberechenbar. Doch zur Beschleunigung des Friedens zwischen Russland und der Ukraine wird die deutsche Panzerlieferung ganz sicher nicht führen. Frieden wird nicht auf dem Schlachtfeld geschlossen, sondern am Verhandlungstisch.
Es gibt genug Probleme, mit denen sich die Menschen hierzulande herumplagen. Inflation, Wohnungsnot, Migration. Man ist weder Putin-Troll, noch Versteher, wenn man sich fragt, wieso Mengen an Geld in den Krieg eines nicht-NATO-Staates fließen, während sich hier viele Menschen kaum noch das Leben leisten können.
Fast die Hälfte der Deutschen will keine Panzerlieferung
Laut einer Umfrage der ARD will knapp die Hälfte der Deutschen keine Panzerlieferung. Es sind also nicht vereinzelte Verrückte, denen man nun ihre Angst ausreden muss. Gern wird behauptet, es seien nur Anhänger der AfD oder der Linken. Nein. Über 40 Millionen ganz normale Menschen im Land wollen keine weitere Verwicklung in den Krieg. Wollen sich nicht von Militärexperten erklären lassen, dass sie nichts zu befürchten haben. 40 Millionen Menschen wollen ein Leben in Frieden und ihre Rechnungen zahlen können.
Es steht außer Frage, dass die Ukraine unsere Unterstützung braucht. Doch müssen es Panzer sein? Was kommt als nächstes? Der ehemalige ukrainische Botschafter schrieb kurz nach Bekanntgabe des Lieferbeschlusses auf Twitter, er würde sich nun über Jets und U-Bote freuen.
Bei allem Verständnis für die dramatische Lage der Ukraine – es ist legitim zu sagen: „Germany first.“
Nein – Schluss mit der Panik-Politik!
von Max Mannhart

Politik ist Panik – das gilt spätestens seit dem ersten Lockdown. Die Angst vor der ultimativen Katastrophe dominiert die politische Debatte in diesem Land vollständig – sei das beim angeblichen Klima-Armageddon oder eben bei der vermeintlich so tödlichen Seuche aus Wuhan. Und auch Olaf Scholz machte seine Ukraine-Politik lange vor allem abhängig von möglichen phantasierten Atomreaktionen von Wladimir Putin. Fast jede Talkshow besteht aus teils absurden küchenpsychologischen Ausflügen in den Kopf von Putin und der Frage, wann er wie unter welchen Umständen er den Atomknopf drückt und durch welche abstrusen Zeichen wir das in der Welt von Putin verhindern können sollen.
Jetzt sollen deutsche Kampfpanzer in die Ukraine kommen, wenn Amerika auch liefert – damit man bloß nicht im Rampenlicht europäischer Politik steht. Warum Deutschland als größtes europäisches Land keine Verantwortung übernehmen sollte, sondern die Vereinigten Staaten, die parallel den mindestens genauso komplexen Konflikt im Pazifik zu bewältigen haben, bleibt fraglich.
Aber besser spät als gar nicht: Es ist ein Symbol, ein Zeichen – und immerhin werden damit nun auch die Lieferung von Leopard-Panzern aus anderen europäischen Staaten möglich. Deutschland hat seine Blockade aufgegeben. Richtig so!
Reflex aus der Corona-Zeit: Panik first
Es überwiegt bei vielen ein Reflex aus der Corona-Zeit: Sobald das absolute Schreckensszenario im Raum steht, versagen alle logischen Argumente. Die absolute Katastrophe einer nuklearen Option überwiegt natürlich sofort alle Argumente und führt dazu, dass sich viele instinktiv auf den Rücken werfen wollen. Es ist der gleiche Reflex, der dazu geführt hat, ein ganzes Land in den Lockdown zu schicken, weil ein tödliches Virus kursierte.
Und natürlich hat Angst ihre Berechtigung. Aber die Argumentation, die man auf Angst aufbaut, löst sich dadurch auf, dass man sie zu Ende denkt: Wenn man wegen jedem tödlichen Virus ein Land einfriert, wird man es nie wieder aufmachen können. Und wenn man die Konsequenzen aus einer russischen Niederlage fürchtet, dann bleibt zu Ende gedacht nur die Kapitulation der Ukraine.
Es ist die Abwägung des Unendlichen – des unendlichen Grauens – die das menschliche Gehirn nicht darstellen kann. Genau darauf basiert die Panik-Politik – sie triggert, dass im Angesicht der Angst alles möglich wird. Genau diese Fähigkeit zur Abwägung aber ist einer der wesentlichen Fortschritte der Aufklärung, diese Abwägung im Angesicht der Katastrophe muss wieder möglich sein. Auch das macht Demokratie erst möglich.
Wer sich dem Wahnsinn unterwirft, wird selber wahnsinnig
Natürlich werden 14 deutsche Leopard-Panzer zusätzlich zu den bis zu 40 Mardern nicht dazu führen, dass Putin den Atomknopf drückt. Es sei denn, Putin ist völlig wahnsinnig. Und dann? Wer sich dem Wahnsinn unterwirft, wird selber wahnsinnig.
Und bis wann lähmen wir uns dann selbst – bis Putin nach Polen greift oder nach Brandenburg?
Diese küchenpsychologischen hypothetischen Gedankenexperimente sind am Ende vor allem eines: Bullshit. Das Desaster der Panik-Politik bei Corona sollte uns zwei Sachen lehren:
1. Lasst uns auf der Basis von Vernunft diskutieren, nicht jeder der Panzer liefert ist ein Kriegshetzer, nicht jeder der zögert ist Putin-Freund. Es muss ein vernünftiges Abwägen wieder möglich sein und eine bürgerliche Debatte.
2. Angst allein ist kein Argument – und das Argument wird auch nicht durch ein immer größeres Schreckensszenario größer.
Und zum Schluss schadet es auch nicht, in die Geschichte zu schauen: Die erfolgreiche Politik im kalten Krieg lag am Ende der in der mutigen und unbeirrten Vernunft des Ronald Reagan – mitgetragen damals auch von Helmut Schmidt.
Und es war auch ein SPD-Mann, der einmal treffend für Berlin beschrieb, was auch heute für die Ukraine gilt: Es war Berlins legendärere Bürgermeister Ernst Reuther, der im Juni 1948 als die Stadt von der Sowjetunion vollständig abgeriegelt wurde, rief: „Völker der Welt schaut auf diese Stadt“. Nicht aus Mitleid, sondern weil es in ihrem eigenen Interesse sei, sollten die westlichen Staaten Berlin als „Vorposten der Freiheit“ schützen. Es folgte mit der Berliner Luftbrücke ein gigantisches, mutiges, vernünftiges Hilfsprogramm, allen wahnsinnigen stalin’schen Drohungen zum Trotz. Auch deshalb leben wir heute in Freiheit.
Für die Ukraine gilt die gleiche Pflicht. Schauen wir auf Kiew. Nicht aus einem moralischen Mega-Impetus der Rettung der Welt heraus, sondern weil der Sieg der Ukraine deutsches Interesse ist. So früher man die Feinde der Freiheit stoppt, desto besser – denn es wird nicht einfacher, indem man zögert.
Wir müssen der Ukraine helfen, um unsere eigene Freiheit zu erhalten – meiner Meinung nach mit allen konventionellen Rüstungsgütern, die zur Verfügung stehen.